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Lehrbuch der Gynäkologie

Otto Küstner, 4.Auflage 1910

 

VIII. ABSCHNITT.
Allgemeine Therapie.

Kapitel XXIX.
Algemeine gynäkologisch-therapeutische Methodik.
Von Otto Küstner.

Seite: 16/17Zurück (Nachbehandlung)[ I. Gynäkologische Akiurgie | Narkose | Lumbalänesthesie | Operation an Vulva und Vagina | Knieellenbogenlage | Laparotomie | Suprasymphysärer Kreuzschnitt | Fascienquerschnitt | Beckenhochlagerung | Blutstillung | Drainage | Verschluß der Bauchwand | Verband | Kolpotomie | Nachbehandlung | II. Gynäkologische Massage. | III. Gynäkologische Elektrotherapie. ]Weiter (III. Gynäkologische Elektrotherapie.)


II. Gynäkologische Massage.


Die Technik ist diejenige, welche der Meister in der Massage, Thure Brandt zur Methode erhoben, Ziegenspeck u. a. weiter ausgebildet haben:

In die Vagina oder nach Bedürfnis ins Rectum werden 2 oder 1 Finger eingeführt, nachdem die Kranke auf harter Unterlage, wie zur bimanuellen Untersuchung, plaziert ist. Mit diesen, den internen Fingern geht man an diejenigen Affektionen heran, welche der Massage unterworfen werden sollen, mit der anderen Hand übt man gegen sie von den Bauchdecken aus durch kurze kreisförmige (Malen, Malning) oder streichende oder drückende Bewegungen einen gelinde anfangenden, stärker werdenden Druck aus. Der vaginale oder rectale Finger, der "Stützfinger", bleibt dabei absolut bewegungslos liegen. Die Massage wird in dieser Weise 10—15 Minuten lang ausgeübt, täglich oder alle 2 Tage wiederholt. Es ist vorsichtig, wenigstens zu Beginn der Kur die Kranke im Bett liegen zu lassen, sie mit dem Thermometer genau zu beobachten und die Massage nur fortzusetzen, wenn Temperatursteigerungen und Resorptionsphänomene ausbleiben.

Das bloße Auftreten von Schmerzen oder die Steigerung vorhandener kontraindiziert bei normal bleibenden Temperaturen die Fortsetzung der Massage nicht.

Das Ziel dieser Bewegungen ist einmal, bestehende perimetritische Adhärenzen zu dehnen und allmählich zu trennen, parametritische Narben zu mobilisieren, die träge Blutzirkulation in chronisch entzündeten Organen zu fördern, anzuregen und zu unterstützen, — daher mögen die streichenden Bewegungen in der Richtung des Venen- und Lymphstromes erfolgen — entzündliche Exsudation zum Verschwinden, d. h. zur Aufsaugung zu bringen, endlich die erschlaffte und untätig gewordene Muskulatur des Mesometriums zu erneuter Funktion anzuregen.

In analoger Weise, wie die Massage, besonders gegenüber chronisch-entzündlichen Schwellungen der inneren Genitalien, wirkt der konstante Druck, wie er bei der FREUNDschen Schrotbeutelbehandlung (Anfüllen der Vagina mit Schrot bis zu 1000 g in einem starken Kondom, Applikation eines mehrere Pfund wiegenden Schrotsackes auf die Unterbauchgegend mehrere Stunden lang) ausgeübt wird. (Belastungstherapie.)

Die Technik der bimanuellen Massage bleibt im wesentlichen die gleiche, wenn wir sie anwenden gegen peritonitische Adhäsionen oder gegen narbige Schwielen, welche wir im Parametrium vermuten, die gleiche bei Resten von Hämatocelen, bei chronischer Entzündung der Organe, des Uterus, der Tuben, der Ovarien; die gleiche bei Prolaps (vgl. unten).

Während ich es nicht für zweckmäßig halten kann, nach Weissenbergs Vorschlag die inneren Finger durch einen Hartgummiobturator zu ersetzen, so bietet es besonders für die Dehnung und allmähliche Zerreißung peri- und parametritischer Entzündungsprozesse Vorteile, wenn man zeitweise die Portio mit einer Hakenzange sich tief zieht und dann die Massage ausübt (Zugmassage nach Sänger).

Indikation. Dasjenige Gebiet, auf welchem der gynäkologischen Massage bei wissenschaftlicher Kritik eine hohe Bedeutung zuzuerkennen ist, ist die chronische Pelveoperitonitis mit ihren Begleit- und Folgezuständen, d. h. mit den Entzündungen und Verlagerungen der Organe. Fixationen des Uterus hinten oder seitlich, Fixationen der Tuben und Ovarien, die chronischen Entzündungen dieser Organe werden, falls zielbewußtere Verfahren, wie die Operation oder die SCHULTZEsche Trennung nicht angängig sind oder im Stiche lassen, durch die Massage erfolgreich behandelt.

Hier leistet die Massage, was mit keiner anderen Therapie zu leisten ist. Die große Häufigkeit der adhäsiven Perimetritis läßt es erklärlich erscheinen, warum Heilbeflissene, welche jedes gynäkologische Leiden unterschiedslos massieren, trotz aller Kritiklosigkeit im allgemeinen doch über einen gewissen Prozentsatz von Erfolgen verfügen können.

Der mechanische Erfolg der Massage bei adhäsiver Perimetritis, Perisalpingitis, Perioophoritis läßt sich leicht an geeigneten Fällen durch die Vergleichung exakt aufgenommener Tastbefunde vor Beginn und nach Beendigung der Kur demonstrieren. Besonders lehrreich ist folgende Beobachtung:

Ich hielt in Dorpat meine Untersuchungskurse an einem zum Teil ständigen Material. 20—30 Frauen, die meist früher ambulante oder stationäre Kranke waren, bildeten den Grundstock, um welchen sich Gravide und sonstige geeignete ambulante oder stationäre Kranke gruppierten. Unter den 20—30 ständig unsere Kurse besuchenden Frauen befand sich eine mit einer ausgezeichneten typischen Anteflexion infolge von linksseitiger, hinterer peritonitischer, perioophoritischer Adhäsion. Jedem Anfänger demonstrierte ich diese Kranke, jeder Anfänger tastete wissensbedürftig den Fall. So kam auch diese Frau pro Jahr auf weit über 100 bimanuelle Explorationen.

Dieses häufige Befühlen und Betasten konnte nicht ohne Einfluß sein; immer weniger charakteristisch wurde die Fixation; nach einigen Jahren bestand sie überhaupt nicht mehr; ich konnte die Frau nur mehr als normalen Befund demonstrieren.

Ferner beeinflußt die Massage alles entzündliche Infiltrat vorteilhaft, also die Infiltration des Uterus bei Metritis chronica, die Wand-Infiltration der Tube, die Parasalpingitis bei Sactosalpinx, wie v. Olshausen besonders hervorhebt, ferner parametritische Entzündungen.

Mit besonderer Vorsicht ist die Massage bei allen Affectionen anzuwenden, wo es sich um Ansammlung entzündlicher Flüssigkeiten handelt, besonders bei Tubensäcken. Kontraindiziert ist die Massage bei Eiter und Krebs, sagte Th. Brandt in seiner laienhaften Ausdrucksweise. Unsere klinischen Beobachtungsmittel lassen es häufig zweifelhaft, ob eine Flüssigkeitsansammlung in der Tube eiterig, schleimig oder blutig ist. Während die Massage einer Hydro- oder Haematosalpinx gefahrlos und erfolgreich sein kann, so kann die einer Pyosalpinx gefährlich, ja unter Umständen lebensgefährlich sein, sobald es sich um noch virulenten Eiter handelt.

Auf diesem Gebiete gerade gilt es, ganz besonders scharf zu individualisieren; für manche Fälle paßt besser ein scharfer chirurgischer Eingriff, für andere wieder besser ein rein symptomatisches Verfahren, eine antiphlogistische Kur oder Ruhe oder ein Bad. Es ist Sache des Gynäkologen, Sache des geschulten Arztes, den einzelnen Leiden das zuständige Heilverfahren zuzuweisen. Es ist der Aerzte Pflicht, dem plan- und ziellosen Umhertappen der Fachmasseure gegenüber die Indikation auf diejenigen Affektionen einzuengen, wo mit dem Massieren genützt werden, wo unsere anatomisch-klinische Kenntnis es gestatten kann. Deshalb überlasse man die gynäkologische Massage nie einer medizinisch nicht vollwertigen Person.

Im allgemeinen läßt sich die Indikationsstellung so formulieren, daß alle die wiederholt genannten Entzündungen eine Massage gestatten , sobald sie in das chronische Stadium getreten sind, aber auch nur unter Berücksichtigung der angegebenen Kautelen. Im akuten Stadium ist die Massage kontraindiziert.

Thure Brandt war bemüht, auch den Prolaps durch Massage zu heilen. Dazu bildete er eine besondere Methodik aus, welche er durch heilgymnastische Uebungen unterstützen ließ. Außer dem bimanuellen Massieren kam für den Prolaps besonders in Betracht das Heben (Lüftung) des Uterus: Ein Assistent faßt den vom Masseur von der Vagina her reponierten Uterus von den Bauchdecken aus mit 2 Händen und zieht und schiebt ihn möglichst nach oben. Dieser Akt läßt sich, ohne so viel Verrenkung dem Assistenten zuzumuten, als nach Thure Brandts Vorschrift nötig ist, leichter so ausführen, daß derselbe neben der Kranken steht, das Gesicht ihr nicht zu-, sondern von ihr abwendet und das "Heben" etwa so ausführt, wie es der Assistent bei der SCHULTZEschen Tumordiagnose tut. Vgl. S. 526.

Die Muskulatur des Beckenbodens samt den Sphincteren suchte Thure Brandt durch zwei Widerstandsbewegungen, Knieteilung und Kniezusammendrückung, zu kräftigen, d. h. durch Bewegungen, welche die liegende Kranke mit ihren Oberschenkeln nach der einen oder anderen Richtung macht, während der Masseur ihr Widerstand leistet. Thure Brandt hat "40 Fälle von Prolaps geheilt, ehe er diese Bewegung kannte" (vgl. Kapitel IX, Prolaps).

Wenn überhaupt, so kann bei diesen und analogen Affektionen einen manifesten Erfolg, das liegt im Wesen des Verfahrens, die Massage nur haben, wenn sie sehr lange Zeit, viele Wochen und Monate angewendet wird. Aus diesem Grunde paßt sie nicht für jedes Temperament und jeden Geldbeutel.





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Achtung!
Dieses Buch ist ein altes Fachbuch, der Inhalt entspricht nicht dem aktuellen Stand der Medizin. Angegebene Therapien entsprechen höchstens dem Stand der Medizin zum angegebenen Druckdatum. Dasselbe gilt für eine ggf. angegebene Rezeptur für ein Medikament. Diese entsprechen nicht dem heutigen Stand der Medizin und sind unter Umständen sogar körperlich schädigend. Die Zubereitung von Rezepturen und die Anwendung derselben gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Apotheker.
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