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Lehrbuch der Gynäkologie

Otto Küstner, 4.Auflage 1910

 

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II. ABSCHNITT.
Die Krankheiten der Vulva und Vagina.

Kapitel IV.
Die Krankheiten der Vulva.
Von Otto Küstner.

Seite: 1/3[ Entzündliche Prozesse | Neurosen | Neoplasmen ]Weiter (Neurosen)

Entzündliche Prozesse, Begleit- und Folgezustände.


Entzündliche Prozesse im Bereiche der Vulva verdanken, soweit sie sich im Vestibulum abspielen, ihre Entstehung denselben Einflüssen, wie ein großer Teil der Entzündungen der Vagina, und schließen sich dann in der Form denselben eng an. So machen Katarrhe des Uterus und nässende Neubildungen des Uterus und der Vagina sehr gewöhnlich Entzündung der Vestibulumschleimhaut. Bei frischer Gonorrhöe, bei welcher außer dem Uterussekret auch noch das der Urethra und der BARTHOLiNschen Drüsen die Vulva benetzt, ist die Schwellung und Rötung der Schleimhaut dieser mitunter recht hochgradig. Recht charakteristisch ist die Entzündung der Vestibulumschleimhaut bei Gonorrhöe der Kinder.

Ebenso bedingen häufige mechanische Reize, z. B. Masturbation, oder exzessive Unreinlichkeit, besonders bei sehr fetten Personen, Entzündungen der Vulva.

Eine nicht allzu häufige eigentümliche Entzündungsform der Vulva und der unteren Vaginalabschnitte stellen die spitzen Kondylome (Condylomata acuminata) dar. Sie bilden sich bei besonderer Disposition, oder wenn pathologisches Sekret des Uterus und der Vagina, welches die Vulva passiert, besonders reichlich, besonders ätzend ist. So sieht man sie häufig bei Gonorrhöe, besonders wenn diese mit Schwangerschaft kompliziert ist. Doch ist zu betonen, daß sie nicht für Gonorrhöe spezifisch sind. Sie sitzen meist zu mehreren hauptsächlich in den Interlabialfalten, auf der den kleinen Labien zugekehrten Partie der großen, auf den kleinen Labien selbst, im Vestibulum, am Damm. Nicht selten stellen sie umfängliche, bis hühnereigroße Geschwülste dar. Jede Geschwulst besteht aus unendlich vielen erhabenen Papillen. Sitzen die Condylomata acuminata an Stellen, wo sie gedrückt werden, so werden sie abgeplattet und können so den breiten Kondylomen recht ähnlich werden.

Das spitze Kondylom ist ein akut entstandenes Papillom; die Hautpapillen samt den Gefäßen sind mächtig gewuchert, in entsprechender Weise das überziehende Rete Malpighii. Sind die spitzen Kondylome nicht sehr umfänglich, so kann man

sie unberücksichtigt lassen. Im anderen Falle schneidet man sie mit der Schere ab und ätzt eventuell die Basis mit Ferrum candens, oder man betupft sie öfters mit einer Chromsäure­lösung (l: 4 Wasser) oder bestreut sie mit Pulvis frondum Sabinae oder mit diesem und Alaun oder rotem Präzipitat aa. Mit COURANT kann ich lebhaft die Vereisung der Kondylome mit Aethylchlorid vermittels eines Sprays auf 10 bis 30 cm Entfernung, einmal appliziert, empfehlen. Nach wenigen Sitzungen sind die umfänglichsten Kondylome verschwunden.

Als Folgezustand lange dauernder entzündlicher Prozesse im Vestibulum lehrte BREISKY die Craurosis vulvae (Leukoplakia vulvae) kennen. Es handelt sich dabei um sklerotische Veränderung der Vulvaschleimhaut; diese sieht weiß, an manchen Partien glänzend aus, ist hie und da von kleinen ektatischen Gefäßen durchzogen.


Fig. 48. Spitze Kondylome der Vulva bei einer 20-jähr. Nullipara, welche seit einem Jahre an starkem Ausfluß mit heftigen Schmerzen beim Urinlassen, seit 4 Monaten an der Anschwellung der äußeren Genitalien leidet. Gonokokken im Sekret nicht nachzuweisen. Abtragen der Kondylome mit Schere und Ferrum candens. (KENTMANN, KÜSTNER-NEISSERs Stereoskop. Atlas.)

Meist trifft man die Craurosis im Bereiche der ganzen Zirkumferenz des Vestibulum, häufig greift sie auf den Damm und die Labia majora über. In auffallendster Weise werden Clitoris und Labia minora betroffen; sie werden durch den Prozeß völlig zum Schwinden gebracht, so daß sie nur noch in Andeutungen vorhanden zu sein pflegen. Die gleiche Affektion beobachtet man gelegentlich auch unabhängig von der Erkrankung der Vulvagebilde in der Umgebung des Orificium ani.

Diesem makroskopischen Bilde entspricht narbige Schrumpfung des Papillarkörpers gelegentlich bis zum völligen Verschwinden, die Papillen sind verflacht, die Talgdrüsen, sonst in dieser Gegend so reichlich, nicht mehr vorhanden (FiSCHEL). In der Randschicht nach dem Gesunden zu fand ORTHMANN die Papillen im Gegensatz in hypertrophischem Zustande. PETER sieht in dem Zustande eine entzündliche Hyperplasie des Bindegewebes mit der Tendenz zu narbiger Schrumpfung, ROSENSTEIN eine Entzündung im Corium und Unterhautbindegewebe, welche schnell in das chronische Stadium tritt. DARGER fand zellige Wucherung und Verdickung der Gefäßwände. Dagegen vertritt JUNG die Ansicht, welche ich für richtig halte, daß dem Leiden weder ein einheitliches anatomisches Bild noch eine einheitliche Aetiologie zugrunde liege. Es handelt sich um die Endstadien der verschiedensten Entzündungsformen. Charakteristisch für Craurosis ist der Pigmentschwund.

Das dominierende Symptom ist unerträgliches Jucken "Pruritus". In manchen Fällen ist Pruritus der eigentümlichen Hautveränderung vorausgegangen. Ja, J. VEIT spricht sich zugunsten eines schon mehrfach vermuteten, engen ätiologischen Zusammenhanges zwischen Pruritus und Craurosis aus, sieht in letzterem Zustande die Folge des ersteren. Sind die Frauen noch jünger (BREISKY beobachtete die Erkrankung hauptsächlich bei Graviden), so sind Stenosenerscheinungen und Kohabitationsschwierigkeiten die lästigsten Symptome. Den Kranken aller Altersklassen sind die Urinbeschwerden gemeinsam.

Manche Craurosis besteht aber auch ohne irgendwelches Symptom. Die Kranken klagen nur über den veranlassenden Katarrh oder über Beschwerden infolge eines ferner liegenden Genitalleidens. Dann kann man von einer Behandlung absehen.

Anderenfalls ist die Excision der erkrankten Schleimhautpartien, zuerst von A. MARTIN gemacht, das rationellste; wird der Defekt zu groß, daß er durch eine einfache Naht nicht zu schließen ist, so muß durch Umschneidung und Präparation Schleimhaut, aus der Vagina entlehnt und so der Defekt gedeckt, oder es müssen Haut- oder Schleimhautstücke transplantiert werden.

Oedem der Vulva sehen wir mitunter in excessiver Weise bei all den Kreislaufstörungen auftreten, welche Oedeme der dem Herzen fernliegenden Zirkulationsbezirke bedingen, bei großen Unterleibstumoren, Herzfehlern und bei Nierenerkrankungen. Die Labia majora und minora schwellen dabei zu großen, glasig aussehenden, hydropischen Säcken an.


Fig.49. Spitzes Kondylom. Frau W., Kl.J. No.88, 1896. Die mit ektatischen Gefäßen versehenen Papillen sind quer und schräg getroffen. Auf ihnen das dicke Plattenepithellager der Vulva, welches, wie charakteristisch, an der prominentesten Stelle fehlt.

Unter Thrombus der Vulva versteht man Blutergüsse, welche häufiger vielleicht bei Schwangeren, seltener bei Nichtgraviden beobachtet werden. In den meisten Fällen handelt es sich um ein stumpfes Trauma, Stoß, Fall gegen die Vulva, wodurch eine subkutane Hämorrhagie dieser so reich mit Gefäßen, häufig, besonders während der Gravidität mit ektatischen Gefäßen ausgestatteten Teile entsteht. Diese Blutergüsse liegen meist auf oder in dein Fettkörper (Corpus adiposum labii majoris) unter der fascienartigen bindegewebig-elastischen Schicht, welche diesen Körper von dem subkutanen Fett des Labium majus trennt. Sie stellen blaurote, pralle, schmerzhafte Intumeszenzen des Labium majus dar. Therapeutisch kann man diese Ergüsse der Resorption überlassen; darüber vergehen Wochen. Ich incidierte in einigen Fällen, räumte das Blutgerinnsel aus, vernähte die Höhle durch versenkte Suturen und erzielte so schnelle Heilung.

Gangrän tritt in Gestalt der Noma mitunter bei Kindern unter denselben Bedingungen auf, unter welchen sie auch anderswo, von der Mundschleimhaut ausgehend, im Gesicht, an der Wange vorkommt. Veranlassung die von PERTHES gefundene Streptothrix der Noma. Therapie ausgedehnte Jvauterisation mit Salpetersäure oder dem Ferrum candens.

Von den Exanthemen beobachtet man gelegentlich an der Vulva Akne, Ekzem, Herpes, Prurigo, Erysipel, Furunculosis.

Therapie der Furunculosis: Aufstechen der Pusteln, Umschläge mit 3-proz. essigsaurer Tonerde. Gegen Eczema intertrigo täglich 2malige Waschung mit einer milden Seife. So ist auch die Behandlung der oft sehr lästig juckenden Ekzeme zu beginnen. Oder man beginnt mit einer spirituösen Waschung mit Zusatz von 3 Proz. Karbolsäure oder Va Proz. Thymol, l Proz. Menthol, 2 Proz. Salicylsäure. Wird das nicht vertragen, feuchte Umschläge mit Bleiwasser, essigsaurer Tonerde, Borsäure, ßesorcin. Später Auftragen von Salben (Unguent. diachylon Hebrae, Zink-, Wismut-, Salicyl-, Resorcinsalben; als Konstituenz diene Lanolin oder Alapurin). Sitzbäder, sind wie überhaupt die Anwendung von Wasser, möglichst zu vermeiden. Sorgfältig ist die Aetiologie, besonders veranlassender Uteruskatarrh zu berück­sichtigen. In hartnäckigen Fällen muß die Kranke während der Behandlung im Bett liegen.

Die Entzündung der Bartholinsclien Drüse ist vorwiegend eine Teilerscheinuug der Infektion mit Gonokokken. Am häufigsten werden beide Drüsen infiziert; gewöhnlich aber findet sich die Anschwellung auf einer Seite stärker als auf der anderen. Es kommt dann zu bedeutender Eitersekretion in der Drüse und, da der Ausführungsgang sehr eng ist, zu erheblicher Eiterausammlung. Die Umgebung der Drüse rötet sich, die ganze Partie wird äußerst empfindlich.

Die Gonokokkeninfektion etabliert sich nach BUMM meist nur im Ausführungsgang der Drüse: selbst wenn es sich um umfängliche Abscesse handelt, so stellen diese meist nur Aussackungen des Ausführungsganges dar.

Der Verlauf kann, wenigstens bei Infektion mit Gonokokken, sehr schleppend sein. Viele Monate, Jahre lang hält sich unter Umständen die Eitersekretion, wenn die Therapie nur in desinfizierenden Abwaschungen und Irrigationen bestand. Bei unreinlichen Menschen kommt es gelegentlich auch zu echten Abscessen der BARTHOLiNschen Drüse. Diese verlaufen dann mit bedeutender Schwellung, Rötung, hohem Fieber. Der Infektionserreger ist dann meist der Staphylococcus aureus (BUMM). Dann kann die Drüse völlig vereitern und auf diese Weise der Prozeß zum Abschluß kommen.

Die Therapie besteht in Spaltung des Abscesses. Mitunter ist selbst eine breite Eröffnung des Abscesses nicht ausreichend, die Ausheilung zu bewirken. Nach einiger Zeit schließt sich die Incisionswunde, und die Eiterabsonderung beginnt in der Tiefe von neuem.

In solchen Fällen exstirpiert man, wenn die entzündliche Infiltration der Umgebung geschwunden ist, die Drüse und ihren Ausführungsgang. Man schneidet von der Innenseite des Labium praeparando auf den Ausführungsgang und die Drüse ein und exstirpiert sie, da sie fest zwischen Fasciengewebe eingebettet sind, scharf mit Messer und Schere.

Nicht selten sind Cysten der Vulva, welche von der BARTHOLINschen Drüse ausgehen. In den meisten Fällen sind es Sekretretentionen infolge von Stenosierung oder Obliteration des Ausführungsganges nach Tripperinfektion, welche die Drüse zu einem großen Balge mit schleimig-wäßrigem Inhalt ausdehnen. In anderen Fällen handelt es sich auch um Retentionscysten, aber auf der Basis einer andersartigen Entzündung.

Bloße Spaltung der Cyste kann diese nur langsam zur Heilung bringen. Einspritzungen von Jodtinktur oder anderen ätzenden Substanzen in die Cyste sind unsichere, selten und dann immer langsam wirkende Verfahren.

Das einzig Richtige ist die Exstirpation des Cystensackes. Da die BARTHOLINsche Drüse fest in der Fascia perinei eingebettet liegt, so gelingt die Exstirpation auch der degenerierten Drüse meist nicht einfach stumpf, sondern muß in der größten Ausdehnung präparierend mit dem Messer vorgenommen werden. Das Bett schließt man durch tiefe verlorene Catgutsuturen.

Retentionscysten der BARTHOLINschen Drüse entstehen ferner gelegentlich im Gefolge von Geburtsverletzungen der hinteren Kommissur und der konsekutiven Narbenbildung. Sie sind in diesem Falle stets wenig umfänglich, erreichen die Größe einer Bohne und sind meist, entsprechend dem typischen Sitz der Dammverletzungen, einseitig.


Fig. 50. Große Cyste der linken Bartholinschen Drüse.Breite Incision, Vernähung der Cysteninnenfläche an die Epidermis. Heilung. Frau W., 40 Jahre alt, hat zweimal geboren, will seit ihrer ersten Schwangerschaft stets an starkem weißen Fluß gelitten haben, der Tumor habe sich im Laufe der Jahre entwickelt.

Bei Gelegenheit der Episioplastik (vgl.Kap.V) exstirpiert man zweckmäßig zugleich die erkrankte Drüse. Diese Anomalie hat bisher noch keine Beachtung erfahren.

Außer diesen Cysten beobachtet man im Bereiche der Vulva, besonders an der Basis des Hymen, Cystchen bis zu Linsengröße und darüber. Die meisten Gynäkologen sehen in ihnen Retentionscysten von Talgfollikeln ausgehend. KLEIN bringt sie mit dem GARTNERschen (WOLFFSchen) Gang in Beziehung, welchen er an der Hymenbasis münden läßt. Auch die paraurethralen "SKENEschen Drüsen", die Homologa der Prostatadrüsen des Mannes, können zu Cysten degenerieren. Die Hymencysten selbst sind in der überwiegenden Mehrzahl durch Einstülpung und Abschnürung von Epithelzapfen entstanden.

Obschon ich über 14 Jahre in einer Gegend tätig war, in welcher Lupus an anderen Körperteilen, besonders im Gesicht, zu den Häufigkeiten gehört, habe ich nur einen unzweideutigen Fall von Lupus der äußeren Genitalien und der untersten Partien der Vagina gesehen (vgl. Fig. 51). Die Diagnose ist für den, welcher Lupus kennt, nicht schwer und kaum zu verfehlen; die Knötchen, die Infiltration, die Epidermisborken und die häßlichen, defektuösen Narben, alles das sieht hier an der Vulva recht charakteristisch aus.

Einer besonderen Betonung bedarf es, daß eine nicht zu, übersehende Aehnlichkeit dieses Prozesses mit manchen Formen des Ulcus rodens vulvae besteht (cf. unten).

Die Therapie hat die Aufgabe, die lupösen Herde durch Sticheln und Auskratzen, Nachbehandlung mit Pyrogallussäure oder Applikation des Ferrum candens zu zerstören; kleinere Knoten, wenn sie noch isoliert sind, können excidiert werden. Auf Grund von NEISSERS-Empfehlung müßte die Behandlung mit Röntgenstrahlen oder FINSENS-Lichttherapie versucht werden. Auch sind Tuberkulinkuren zu versuchen.

Andere Formen der Tuberkulose der Vulva, tuberkulöse Ulcera mit allen Charakteren sind in sehr seltenen Fällen beobachtet worden. Sie hatten käsigen Belag, ausgefressene, nicht infiltrierte Bänder wie das Ulcus rodens, Tnberkelbacillen und Riesenzellen waren nachweisbar. In den bisher beobachteten Fällen handelte es sich stets um Teilerscheinungen einer allgemeinen Infektion (Lungentuberkulose), dagegen war der übrige Genitaltraktus frei, so daß der Verdacht der Infektion durch Coitus in keinem Falle gestützt erschien.

Excision der Ulcera kann unter allen Umständen zweckmäßig sein (vgl. Kap. XXIV).

Die Elephantiasis vulvae ist eine seltene Erkrankung, das Analogon der an den Unterextremitäten ungleich häufiger beobachteten

Elephantiasis Arabum. An der der Vulva beteiligen sich vorwiegend die großen Labien, mitunter auch die Nymphen und die Clitoris; diese Organe können zu Tumoren von enormer Größe und riesigem Gewicht degenerieren, so daß sie bis zum Knie herabhängen.

Anatomie: Hypertrophie der Hornschicht, Infiltration der Cutis und des cutanen Bindegewebes mit Rundzellen, Ektasie der Lymphgefäße. Diese Ektasie kann so bedeutend sein, daß Lymphorrhöe besteht (LESSER).


Fig.51.: Lupus der Vulva. Frau K. K., aus L. bei W., 31 Jahre alt. Die Vulvagebilde, besonders der Damm, sind durch den Gewebszerfall zerstört, aus der Vagina ragen Lupuswucherungen hervor. Auf den Labia majora einige Lupusknoten, links stark infiltrierte Leistendrüsen; auf der linken Hinterbacke und dem linken Oberschenkel strahlige Narben, von der nässenden Absonderung herrührend. Stichelungen und Auskratzungen ohne beilenden Erfolg (Beobachtung aus SCHULTZES Klinik in Jena 1879.)

In der Aetiologie spielen alle Verhältnisse, welche eine Stase in den Lymphgefäßen bedingen kön­nen, eine bedeutsame Rolle. Was in den Tropen die Filaria tut, dadurch, daß sie in die Lymphgefäße der Extremitäten einwandert und sie verstopft, das kann in unseren Zonen durch ein Erysipel oder durch gonorrhoische Lyrnphdrüsenerkrankung oder durch Lues erzeugt werden. In beiden Fällen handelt es sich um Oblite-ration oder Zerstörung der Lymphgefäße oder der eingeschalteten Drüsen, also der Leistendrüsen, durch Vereiterung. Jedoch kommen auch Fälle vor, in welchen die ätiologischen, mechanischen Momente nicht auf­zufinden sind. Und angesichts dieser Tatsache muß daran erinnert werden, daß zwischen manchen Formen der Elephantiasis und dem Ulcus rodens eine nicht zu verkennende Aehnlichkeit besteht. Auch bei der Elephantiasis kommt es gelegentlich zu Geschwürsbildungen, welche dem Ulcus rodens recht ähnlich sehen. Daher neigen neuere Autoren (veit) dazu, in der Elephantiasis einen dem Ulcus
rodens ähnlichen Prozeß zu sehen. Der Hauptunterschied gegenüber dem Ulcus rodens besteht in der stärkeren, oft gigantischen Schwellung und geringeren Geschwürsbildung.

Die Beschwerden, welche durch die Elephantiasis erzeugt werden, sind im allgemeinen proportional der Größe der Tumoren. Aber auch schon kleine Tumoren können durch Verlegen der Blasen-und Mastdarmöffnung erhebliche Beschwerden machen. Die Therapie besteht in der Entfernung des Tumors. Die Schnittführung richtet sich ganz nach der Insertionsweise der Geschwulst, kann selbst, wenn die nächsten Umgebungen der Ure-thra und des Ilectums elephantiastisch entartet sind, kaum Schwierigkeiten machen.

Im Ulcus rodens vulvae (esthiomene) begegnen wir nicht häufig einer sehr eigentümlichen (Geschwürsbildung, welche meist in der Fossa navicularis beginnt, außerdem sich aber auch an anderen Partien der Vulva, besonders in der Rima interlabialis und an der Urethra findet, eine ausgesprochene Tendenz zur Nichtheilung, zur Fistelbildung hat. Die Ränder und der Geschwürsgrund sind meist prall ödematös, von speckiger Konsistenz, Diese Affektion greift langsam weiter um sich, kann zu umfänglichen Zerstörungen im Bereiche der Vulva, zur Fistelbildung nach Blase und Mastdarm führen, nicht selten ist sie mit Rectumstriktur gepaart.


Fig. 52. bElephantiasis vulvae einer Gravida.[] O.F., Kl.J. No.362, Stat. II, entbunden 28. Febr. 1896, ohne Verletzung der äußeren Genitalien.

Das mikroskopische Bild entspricht dem der chronischen Entzündung. Damit ist die Natur dieses Leidens noch nicht geklärt. KOCH bringt es in ätiologischen Zusammenhang mit der Exstirpation von Leistenbubonen und stellt es somit auf eine Stufe mit der Elephantiasis. Auch die nicht selten komplizierende Rectumstriktur spricht dafür, daß Lymphstase ein bedeutungsvoller ätiologischer Faktor ist.

Endlich entwickelt sich zweifellos das Ulcus rodens gelegentlich auf syphilitischer Basis, sofern wegen luetischer Erkrankung der Blutgefäße diese außer stand gesetzt werden, bei Stase in den Lymphgefäßen eventuell für diese vikariierend einzutreten. Man hat sich die Entstehung vielleicht so zu denken, daß durch die Lymphstase chronische Entzündung des Gewebes auftritt, und zufällig entstehende Läsionen sich zu tiefen Geschwüren in dem kranken Gewebe entwickeln. Mit Tuberkulose und Lupus hat die Affektion nichts zu tun. Ich habe die Affektion in einer nicht unbeträchtlichen Reihe von Fällen gesehen und habe in keinem der genauer untersuchten Tuberkelbacillen gefunden; doch kann ich nicht verhehlen, daß das makroskopische Bild dem des Lupus recht nahe stehen und die Differentialdiagnose erschweren kann.

Der Verlauf ist ohne Heilungsaussiohten. Ohne daß die Symptome, Blutungen und Verletzungen beim Coitus, Brennen beim Urinlassen, sonderlich quälend zu sein brauchen, so fordert die Affektion dennoch lebhaft Abhilfe.

Die Diagnose kann gegenüber syphilitischem Affekt, Carcinom und Tuberkulose zu entscheiden haben.

Dem Ulcus durum und molle gegenüber ist die Eigentümlichkeit, daß beim Ulcus rodens Geschwürsbildung, Oedem und Wucherung sich nebeneinander finden, charakteristisch. Eventuell liefert Quecksilber oder Jodkali den differentialdiagnostischen Ausweis. Dem Carcinom gegenüber entscheidet im kritischen Falle die Probeexcision und mikroskopische Untersuchung.


Fig. 53. Esthiomene. Frau F., op. 8. Mai 1899. Exitus an Pneumonie. Sehr ausgesprochen sind die elephantiastischen Wucherungen im Bereiche der Labia majora, minora und des Dammes.


Fig. 54. Esthiomene der Frau F., derselbe Fall, welcher in Fig. 53 abgebildet ist. Die elephantiastisch geschwollenen Labia minora sind auseinandergezogen; man sieht jetzt ein flaches Ulcus auf dem Lab. min. dextr., die ganze Innenfläche desselben einnehmend, ein flaches, nicht so großes Ulcus auf der Innenfläche des Lab. min. sinistr. Der Introitus der Vagina, soweit sichtbar, und die hintere Kommissur elephantiastisch intumesziert.

Therapeutisch ist weder etwas von inneren Mitteln, Jodkali und Quecksilber, noch auch viel von Aetzmitteln (Ferrum actuale, Milchsäure, Chlorzink) zu erwarten. Aufstreuen von Resorcinpulver, Anwendung von Chromsäure oder Unguentum basilicum ist mitunter von temporärer Wirkung. Das einzige Heil ist in der Exstirpation zu sehen, wie ich das wiederholt mit Erfolg getan habe; eventuell ist ausgiebige Plastik an der Urethra nötig.


Fig. 55. Esthiomene. Marie Sch., 31 Jahre alt (1898/99, J.-N. 681), Amputation aller geschwürigen Teile der äußeren Genitalien, geheilt. Die Labia minora sind auseinander gefaltet; man sieht sehr gut die umfänglichen Ulcera, umgeben von epithel­verdickten Rändern.





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Dieses Buch ist ein altes Fachbuch, der Inhalt entspricht nicht dem aktuellen Stand der Medizin. Angegebene Therapien entsprechen höchstens dem Stand der Medizin zum angegebenen Druckdatum. Dasselbe gilt für eine ggf. angegebene Rezeptur für ein Medikament. Diese entsprechen nicht dem heutigen Stand der Medizin und sind unter Umständen sogar körperlich schädigend. Die Zubereitung von Rezepturen und die Anwendung derselben gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Apotheker.
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