Willkommen bei Med-serv.de
 
  Home  ·  Med. Abkürzungen  ·  Endoatlas  ·  Sonoatlas  ·  Alte Bücher  ·  Kontakt 25. April 2024 
  Sie befinden sich: Home > Bücher > Lehrbuch der Gynäkologie > Krankheiten des Uterus > Prolaps > Uterusprolaps
 
Medizinische Bücher
Alte medizinische Bücher im Internet

Lehrbuch der Gynäkologie

Otto Küstner, 4.Auflage 1910

 

Optionen

Schmale Textspalte


III. ABSCHNITT.
Die Krankheiten des Uterus.

Kapitel IX.
Prolaps uteri et vaginae.
Von Otto Küstner.

Seite: 3/7Zurück (Vaginalprolaps)[ Grundlagen | Vaginalprolaps | Uterusprolaps | Anatomie | Therapie | Zusammenfassung | Gravidität ]Weiter (Anatomie)


Uterusprolaps


Wie gesagt, ist der Uterusprolaps, das Heraustreten des ganzen oder häufiger nur des unteren Teiles des Uterus aus den äußeren Genitalien, meistenteils das Kulminationsstadium, der Endzustand der Retroversio-flexio, des geringeren Grades der Hysteroptose. Das kommt folgendermaßen zustande.

Der Druck, unter welchem die einzelnen Organe und Organabschnitte im Abdomen stehen, der sogenannte "intraabdpminale Druck", ist keine konstante Größe. Er ist in hervorragender Weise abhängig von der Stellung, in welcher der Mensch sich befindet.

So beträgt der auf die Organe des kleinen Beckens wirkende Druck an der aufrecht stehenden Person etwa 40 cm Wasser, d. h. er ist etwa gleich einer Wassersäule von der Höhe der Entfernung des Beckenbodens bis etwa zur Kuppel des Zwerchfelles. In Rückenlage beträgt er nur etwa 15 cm Wasser, d. h. ist etwa gleich einer Wassersäule vom Beckenboden bis zum höchsten Punkte der vorderen Bauchwand. In Knieellenbogenlage ist er negativ.

Das lehrt folgender einfache Versuch: Man fülle bei einer Person die Ampulla recti mit Wasser oder stecke in die Ampulla recti eine dünne, mit Wasser gefüllte, nicht elastische, wasserdichte Blase. Letztere setze man in Verbindung mit einem Gummischlauch und einem gläsernen Steigerohr (Wassermanometer), oder man stecke im erstgedachten Falle den Gummischlauch einfach mit einem offenen Ende in die mit Wasser gefüllte Ampulle.

Jetzt bringe man die Person in verschiedene Stellungen, in die aufrechte, in die Rücken- und Knieellenbogenlage, und konstatiere, wie hoch sich über der Afteröffuung der Wasserspiegel im Steigerohr befindet, wenn Wasser in das Rectum einfließt, wenn es aus dem Rectum durch das Gummirohr in das Manometer regurgitiert, und wenn das Gleichgewicht hergestellt ist. Wann das letztere bei den ver­schiedenen Körperstellungen der Fall ist, geben die oben bezeichneten Höhenwerte der Wassersäule an.

Auf dieselbe Weise ist zu demonstrieren, wie enorm durch die Bauchpresse der intraabdominale Druck gesteigert werden kann; läßt man die Versuchsperson die Bauchpresse anstrengen, so steigt der Wasserspiegel im Steigerohr wesentlich höher.

Normale Anteversion vorausgesetzt, unterstützt der intraabdominale Druck, bezw. seine willkürliche Verstärkung die Fixationsapparate des Uterus dadurch, daß er ausschließlich auf seine obere Wand wirkt.

Liegt aber der Uterus in Retroversio-flexio, so ist das Gegenteil der Fall. Der intraabdominale Druck hat bei dieser Stellung des Uterus seinen Angriffspunkt an der normaliter unteren Wand und am Fundus und preßt schon in der Kühe das Organ immer mehr in die Ketroversionsstellung hinein, bezugsweise mehr aus dem Becken heraus. Erst recht natürlich bei jeder Verstärkung, sie mag zur Unterstützung der Blasenmuskulatur, oder bei der Defäkation, oder beim Heben eines schweren Gegenstandes, beim Schreien, beim Singen etc. stattfinden. Ruhestellung wie Aktion der Bauchpresse, beides wirkt in demselben Sinne schädlich auf die fehlerhafte Stellung des Uterus; die bereits insuffizienten Haftapparate, soweit sie in den bindegewebigen und fascialen Elementen der Ligamente und deren Muskulatur bestehen, geben noch mehr nach, die Hilfsapparate, welche in Gestalt der Beckenfascie und des Peritonealüberzuges des Uterus, in Gestalt der von der Beckenwand an den Uterus tretenden Gefäße und straffen Bindegewebszüge das Organ,
wenn auch nicht mehr in normaler Stellung, so doch in annähernd normaler Höhe im Becken zu erhalten imstande wären, können es allmählich nicht mehr, der Uterus muß dem Becken allmählich entweichen, wie das Kind bei der Geburt.


Fig. 130. Atypische Prolapsform. Portio und vordere Scheidenwand sind prolabiert, außerdem besteht Prolaps der hinteren Scheidenwand mit Rectocele bis fast in das hintere Scheidengewölbe hinauf; der Prolaps der hinteren Scheidenwand einerseits, des Uterus und der vorderen Scheidenwand andererseits sind genetisch voneinander unabhängig. Frau E. S., 45 Jahre alt, hat 5mal geboren, zuletzt vor 9 Jahren, letztes Wochenbett fieberhaft; danach habe ein Vorfall bestanden, der sich jedoch zurückgebildet haben soll. Jetzt bestehe Vorfall seit 10 Tagen; außerdem Urinbeschwerden; Regel ist Inial ausgeblieben. Wegen der bestehenden Retroflexio uteri gravidi Reposition des Uterus, SMITH-Pessar auf 3 Monate. (KEILMANN, KÜSTNER-NEISSERs Stereoskop. Atlas.)

Wie schnell das geschieht, hängt zum großen Teil von dem Tempo ab, in welchen sich die Schädlichkeiten häufen. Sie häufen sich erklärlicherweise am meisten bei Frauen, deren Beruf und Lebensaufgabe eine häufige und anhaltende Verstärkung des intraabdominalen Druckes mit sich bringt, bei denen der arbeitenden Klasse. Zudem sind diese ja auch am wenigsten in der Lage, schon wegen geringer Beschwerden, wegen etwas profuser Menstruation, wegen nervöser Störungen, eben wegen der Symptome der Rotroflexion, fachmännischen Rat einzuholen; die Retroflexion bleibt unkorrigiert, die Schädlichkeiten wirken fort, und die Uterusdeviation kommt, erst zur Beobachtung, wenn sie den höchstmöglichen Grad in Gestalt des Vorfalles erreicht. Das ist der gewöhnliche Gang der Entstehung des Uterusvorfalles.

Bei der Betrachtung einer Serie von Prolapsen des Uterus, welche verschieden hohe Grade repräsentieren, findet man selbst bei den geringsten die vordere Scheidenwand fast stets ganz beteiligt, d. h. sobald die Portio vor der Vulva liegt, liegt auch meist die ganze vordere Scheidenwand draußen. Verschieden ist bei den verschiedenen Graden der Prolapse meist nur die Beteiligung der seitlichen und hinteren Scheidenwände. Bei den geringsten Graden liegen von diesen Teilen der Scheide nur die der Portio unmittelbar benachbarten draußen, bei den höchsten findet sich oft nur noch ein unbedeutendes Divertikel unmittelbar hinter dem Frenulum an Ort und Stelle.

Beobachten wir, was wegen der Notwendigkeit therapeutischer Intervention selten möglich ist, das allmähliche Entstehen eines Vorfalles an derselben Kranken, so findet sich um eine Zeit, wo die Portio noch hinter dem Constrictor cunni, wenn auch schon unmittelbar hinter ihm liegt, meist schon die vordere Vaginalwand in größter Ausdehnung vorgefallen, wogegen die hintere und die seitlichen Scheidenwände den Vulvaverschluß noch nicht passiert haben. Vergrößert sich allmählich der Vorfall, so tut er es durch Tiefer- und Hervortreten der Portio und der derselben benachbarten Teile der hinteren und seitlichen Scheiden wände.

Reponiert man einen höchstgradigcn Prolaps, fordert dann die Kranke zum Pressen auf und läßt so den Vorfall wieder heraustreten, so kommen zuerst die vordere Scheidenwand, im Anschluß daran die Portio und dann erst die übrigen Teile der Scheidenwandung wieder heraus.

Eine Ausnahme von dieser Mechanik machen häufig die Vorfälle von Nulliparae und Virgines, überhaupt von Frauen mit besonders straffer Scheide. Hier tritt sowohl bei der Entstehung als auch dann, wenn wir nach der Reposition durch die Bauchpresse den Vorfall wieder in seiner ganzen Größe heraustreten lassen, meist nicht die ganze vordere Scheidenwand hervor, ehe die Portio erscheint, sondern die Portio ist zunächst der führende Teil, die straffen Gebilde der vorderen Scheidenwand folgen, wenigstens in ihrer Totalität, erst später.


Fig.131 demonstriert, daß ein normal gelegener Uterus niemals in dieser Lage prolabieren kann (punktiert angedeutet), sondern daß der Uterus, wenn er das Becken verlassen soll, sieh in Retroversionsstellung begeben muß. Je weiter er nach unten tritt, um so stärker muß die Retroversions-flexionsstellung werden.

Nicht ganz selten finden wir bei den Prolapsen der Nulliparen den der DOUGLASschen Peritonealexkavation entsprechenden Teil der hinteren Scheidenwand ganz besonders tief, mitunter noch tiefer prolabiert als die Portio. Daraus scheint hervorzugehen, daß die exzessive DOUGLAS-Tiefe, eine Teilerscheinung des Infantilismus (FREUND), eine Prädisposition für die Entstehung des Prolapses abgibt. Dasselbe gilt für die pathologische Tiefe der Excavatio vesicouterina (SELLHEIM, KÜSTNER).

Die Beobachtung, daß beim Entstehen und Wiederentstehen des Vorfalls die vordere Scheidenwand stets vorangeht, und besonders ihre außerordentlich häufige, ja fast regelmäßige Beteiligung in ganzer Ausdehnung am Uterusvorfall, legen die Anschauung nahe, daß sie oder ihr Vorfall bei dem Mechanismus der Entstehung des Uterusprolapses eine bedeutungsvolle Rolle spiele. Die Vorstellung liegt nahe, daß, wenn erst die vordere Scheidenwand draußen liegt, sie und der mit ihr solidarische Abschnitt der Harnblase allmählich den Uterus an der Portio herauszögen. So stellen z. B. FRITSCH, VEIT, FEHLING u.a. die Entstehung des Prolapses dar. Theoretisch könnte die Möglichkeit eines derartigen Mechanismus zugegeben werden. In Wirklichkeit liegt jedoch die Sache, wie oben dargestellt ist. Meist besteht eben bereits, während die vordere Wand prolabiert ist, eine Retroversio-flexio, ein Zustand, welcher schon die Folge der Insuffizienz der Haftapparate des Mesometriums ist. Auch ist dann der Vorfall der vorderen Scheidenwand meist schon eine Folge der Retroversion, sofern sie, falls Folge der Insuffizienz des Mesometriums, bereits einen Tiefstand, eine Senkung des Uterus bedeutet. Tritt von dieser Stellung aus der Uterus völlig aus dem Becken heraus, so ist das vorwiegender Effekt des in diesem Sinne auf den retrovertiert liegenden Uterus wirkenden intraabdominalen Druckes. Der Zug der vorderen Scheidenwand und der konsekutiven Cystocele unterstützt höchstens diese Wanderung des Uterus von der Retroversion aus zum Prolaps.

Das ist die im wesentlichen durch schultze begründete Lehre, daß der Prolaps fast ausnahmslos aus der Retroversio-flexio entsteht, oder anders ausgedrückt, daß der Uterusprolaps das Endstadium desjenigen Zustandes von Insuffizienz des parametranen, paravaginalen und besonders paracystischen Gewebes, soweit dieses nicht nur aus glatter Muskulatur, sondern auch aus Binde-, elastischem, fascialem und Fettgewebe besteht, ist, dessen Anfangsstadium die Erschlaffungsretroversio-flexio, der erste Grad der Hysteroptose, darstellt. Danach ist also die Aetiologie des Prolapses die der Retroversio-flexio.

Nicht selten befand sich der Uterus vor der Entstehung des Prolapses nicht in höchstgradiger Retroversio-flexio, sondern verließ das Becken, ohne daß je die sonst untere Fläche des Corpus dem abdominalen Drucke preisgegeben gewesen wäre. Immer ging auch in diesen Fällen dem Prolaps ein Stadium voraus, welches nicht mehr die gesicherte Normalstellung des Organes bedeutete, eine Stellung, bei welcher die Portio tief und die Uterusachse an der stehenden Frau etwa senkrecht stand, also eine Stellung, welche man mit Entschiedenheit als Retroversio bezeichnen muß.


Fig. 132. Virginaler Frolaps des Frl. S., 1901/02. Geringgradige Cystocele. Bedeutende Vorwölbung des DOUGLASschen Raums.


Fig. 133. Virginaler Frolaps des Frl. S., 1900/01, außerordentlich hochgradiger follikulär-adenoider Wucherungshof um das Orificium externum herum. Sehr geringfügige Cystocele.

Die im Vorstehenden dargestellte Anschauung von der Entstehung des Prolapses wird nicht allenthalben geteilt. Von vielen wird der präliminaren Retroversio-flexio nicht die hohe ätiologische Bedeutung beigemessen, viele sehen in der Insuffizienz des aus Levator ani, Beckenfascie und den Dammgebilden bestehenden Beckenbodens die Hauptursache des Vorfalles. Diese kann durch Erschlaffung, durch Geburtsverletzungen, durch hoch hinaufgehende Dammspalten und durch Bildungsanomalien bedingt sein. HALBAN und TANDLER fanden bei Leichenuntersnchungen die Beckenbodenmuskulatur atrophisch. Auch sie glauben, daß "ein Prolaps wie eine Hernie dann entsteht, wenn der Hiatus genitalis im Beckenboden (der Spalt zwischen den die Vagina kreuzenden Levator ani-Bündeln) nicht suffizient geschlossen ist, sondern eine Bruchpforte darstellt. Der gesteigerte Abdominaldruck preßt alle Organe oder Organteile, welche in den Druckbereich dieser Bruchpforte fallen, durch dieselbe hinaus." Daß die Insuffizienz des Beckenbodens von hoher Bedeutung für die Entstehung des Prolapses ist, ist von SCHULTZE und mir immer anerkannt worden. Man muß in ihr unter allen Umständen ein die Entstehung des Prolapses begünstigendes Moment erblicken. Daß es jedoch dieses begünstigenden Momentes nicht bedarf, sehen wir an den virginalen Prolapsen. Uebrigens erkennen auch Tandler und HALBAN an, daß nur aus der Retroversions-flexionsstellung heraus sich ein Prolaps entwickeln kann.





Seite: 3/7Zurück (Vaginalprolaps)[ Grundlagen | Vaginalprolaps | Uterusprolaps | Anatomie | Therapie | Zusammenfassung | Gravidität ]Weiter (Anatomie)


Achtung!
Dieses Buch ist ein altes Fachbuch, der Inhalt entspricht nicht dem aktuellen Stand der Medizin. Angegebene Therapien entsprechen höchstens dem Stand der Medizin zum angegebenen Druckdatum. Dasselbe gilt für eine ggf. angegebene Rezeptur für ein Medikament. Diese entsprechen nicht dem heutigen Stand der Medizin und sind unter Umständen sogar körperlich schädigend. Die Zubereitung von Rezepturen und die Anwendung derselben gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Apotheker.
Hauptmenu
· Home
· Med. Abkürzungen
· Endoskopieatlas
· SonoAtlas
· Alte Bücher

Alte Bücher
· Übersicht
· Gynäkologie
· Andere:
· Wasserkur
· Hautkrankheiten

· Hilfe/FAQ

Rückblick
25. 4. 1873
Geburtstag von Félix d' Hérelle (1873-1949), einem kanadischen Mikrobiologen, der 1917 die Bakeriophagen (Viren, die Bakterien infizieren) entdeckte.

Werbung


 

Alle Inhalte und Bilder, soweit nicht anders gekennzeichnet © 2002-2017 Stefan Südfeld. Sitemap.
Unsere anderen Seiten: Psychotherapie Herzogenrath