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Lehrbuch der Gynäkologie

Otto Küstner, 4.Auflage 1910

 

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VI. ABSCHNITT.
Mikrobiotische Erkrankungen des weiblichen Urogenitaltraktes.

Kapitel XXIII.
Die gonorrhoischen Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane.
Von Albert Döderlein.

Seite: 1/7[ Einleitung | Harnröhre | Vulva/Vagina | Uterus | Tuben/Peritoneum | Verhütung/Therapie | Sterilität ]Weiter (Harnröhre)

Einleitung


Während die gonorrhoische Infektion im männlichen Genitale in der Regel eine ziemlich einförmige und typische Krankheit, Urethritis, auslöst, ruft diese Ansteckung im weiblichen, vielgestaltigen und schleimhautreichen Geschlechtstraktus äußerst mannigfache, hartnäckige und deletäre Krankheitsprozesse hervor, und es ist hier viel mehr der eigentliche Genitalschlauch selbst als das Harnorgan, welcher zum definitiven Sitz der Infektion wird. Aeußere Genitalien, Vulva und Urethra, Vagina und Uterus, Tuben und Ovarien, ja des hier so unangebrachten Morsus diaboli halber auch Peritoneum können einzeln oder komplexär von der Infektion ergriffen werden, so daß schließlich kein Teil der Genitalien verschont und auch deren Nachbarschaft empfindlich in Mitleidenschaft gezogen wird.

Wenn, wie es auch in dem vorliegenden Buche geschehen ist, die Krankheiten der einzelnen Organe für sich behandelt werden, so ist bei den verschiedensten, ja fast allen Kapiteln schon die "Gonorrhoe des Weibes" zu ihrem Rechte gekommen. Aber selbst auf die Gefahr mancher Wiederholungen hin dürfte es gerechtfertigt erscheinen, diese um ihrer Häufigkeit und Schwere willen so wichtige Krankheit der weiblichen Geschlechtsorgane, deren Kenntnis in den letztverflossenen Jahrzehnten durch bakteriologische, anatomische wie klinische Forschung so außerordentlich gewonnen hat, einheitlich zu beleuchten und namentlich die allgemeineren Gesichtspunkte über den Infektionsmodus, die Vitalität und Tenazität der infizierenden Bakterien, deren intra- und extragenitale Biologie wie auch die Beziehungen der Infektion zu Fortpflanzungstätigkeit, Heiratskonsens, Sterilität u. a. eingehender und zusammenhängend darzustellen.

Die Natur der infizierenden Mikroorganismen ist durch Neissers im Jahre 1879 gemachte Entdeckung der Gonokokken geklärt. Wenn man Skeptikern auch den letzten Zweifel nehmen will, daß gewisse Krankheiten durch spezifisch und obligat pathogene Mikroorganismen und nur durch diese allein veranlaßt werden, so muß man ihnen die Gonokokken und die Gonorrhoe vor Augen halten. Es bedarf hier nicht des geringsten Entgegenkommens des Körpers, wie Disposition, Erkältung, sonstige Schädigung oder Verwundung, um den Ausbruch der Krankheit zu erzeugen. Kommen Gonokokken auf die Schleimhaut der Harnröhre, des Uterus und der Tuben, des Rectums, der Nase, der Mundhöhle, besonders bei Neugeborenen, oder auf die Conjunctiva, so ist die blennorrhoische Entzündung die unabweisliche Folge, sofern nicht gleichzeitig Gifte, wie Argentum nitricum bei der Verhütung der Blennorrhoea neonatorum, appliziert worden sind. Es gibt keine angeborene und keine erworbene Immunität. Ebenso fest steht andererseits, daß die durch die Kontagiosität
und sonstige Eigenschaften ausgezeichneten Trippererkrankungen einzig und allein durch den Gonococcus Neisser erregt werden.

Leider gehört der Gonococeus zu jenen Mikroorganismen, welche weder morphologisch noch biologisch leicht erkennbar sind, und so stößt deren Nachweis im einzelnen Falle auf erhebliche Schwierigkeiten. Hätte er (Testaltseigentümlichkeiten, wie z.B. die Streptokokken, oder würde man im Besitz einer spezifischen, ihm nur eigenen Färbung sein, wie beim Tuberkelbacillus, so wäre der Streit über die Bedeutung und Notwendigkeit des Nachweises der Tripperbakterien zur Diagnostik sicherlich nicht so heftig, wie er es zurzeit immer noch ist. Die Form der Gonokokken ist, wie aus nachstehendem Schema von Bumm ersichtlich, diejenige der Diplokokken, wobei die einander zugekehrten Flächen konkav gebogen erscheinen, Semmelform, Kaffeebohnen ähnlich. Die Vermehrung geschieht in aufeinander senkrechten Ebenen, so daß eine Kolonie das Aussehen der Trauben oder Staphylokokken, nicht der Kettenkokken aufweist. Mit den Anilinfarben färbt sich der Gonococcus gut, besonders schön in Loefflers alkalischer Methylenblaulösung, nach Grams Verfahren entfärbt sich der Keim. Auf Gelatine, Agar, Kartoffeln wächst der Gonococcus nicht, der Nährboden bedarf besonderer Zusätze, Blutserum (Bumm), Urin, Ascites-, Hydrocelenflüssigkeit, Ovarialkystominhalt (Menge)- Im Eiter findet sich der Gonococcus vorwiegend in den Eiterkörperchen eingeschlossen.

Im Tierkörper löst der Gonococcus keine Erkrankung aus.

Die weitaus häufigste, im gewöhnlichen Leben bei Erwachsenen nahezu allein in Betracht zu ziehende Uebertragungsgelegenheit bietet der Geschlechtsverkehr. Die innige Berührung der Genitalorgane, die hohe Infektiosität gonorrhoischer Sekrete, die unter Umständen jahrzehntelang bestehende Tenazität der Gonokokken besonders in den unzugänglichen Schlupfwinkeln der Pars posterior der männlichen Harnröhre und den Cervicaldrüsen der Frau erklären im Verein mit den oben angegebenen Eigenschaften dieser obligat pathogenen Keime zur Genüge, daß der Geschlechtsgenuß mit einem gonorrhoischen Individuum meist mit dem Erwerb dieser glückzerstörenden Krankheit erkauft werden muß.

Nach der Ansicht von Noeggerath sollen gonorrhoisch infizierte Männer in etwa 90 Proz. aller Fälle infektiös bleiben, und zwar bleiben diese 90 Proz. auch dann noch ansteckungsfähig, wenn sie gar keine subjektiven und objektiven Trippererscheinungen mehr haben, "latente Gonorrhoe". Die Möglichkeit einer derartigen unbegrenzten Persistenz der Infektiosität besteht zweifellos zu Recht, nach den heutigen Anschauungen aber in einem viel geringeren Prozentsatz, als Noeggerath vor etwa 30 Jahren angenommen hat. Die Zeichen der chronischen Gonorrhoe des Mannes, Filamente im Harn, goutte militaire, verdienen bei Feststellung der Ansteckungsfähigkeit des Mannes volle Beachtung. Ausschlaggebend ist aber die bakteriologische Untersuchung auf Gonokokken in solchen Tripperresten, eine Aufgabe, die zu lösen im einzelnen Falle ebenso verantwortungsvoll als schwierig sein kann. Werden auf das Resultat einer solchen Untersuchung folgewichtige Schlüsse aufgebaut, wie Urteile in Ehescheidungsprozessen, Heiratskonsens, so sollten nur erfahrene, in der bakteriologischen Technik und Mikroskopie wohlbewanderte Aerzte maßgebend werden. Ich habe mehrere gerichtliche Fälle zu begutachten gehabt, in welchen negative Befunde ebenso irreführend waren, wie in anderen irrtümliche positive verwirrten.


Fig.290. Form und Wachstum des Gonococcus. Nach Bumm, Handb. d. Gyn., herausg. v. Veit. 2. Aufl., Bd. II, p. 7.

Klinische Erfahrung und bakteriologische Forschung haben uns folgende wichtige Leitsätze über die Genese und Pathologie der Gonorrhoe an die Hand gegeben:

Ein weites, klaffendes Orificium externum der männlichen Harnröhre begünstigt das Hineingelangen der weiblichen Sekrete, so daß sich möglicherweise ein so beschaffener Mann da einen Tripper holt, wo ein anderer, später kommender von der Infektion verschont bleibt.

Auch bei der Frau hat die anatomische Beschaffenheit der Genitalien insofern einen gewissen Einfluß auf die Art der Trippererkrankung, als bei engerem Scheideneingang, Virgines, eher die Urethra infiziert wird, während bei Deflorierten das Gift leichter sofort mit den oberen Vaginalpartien und der Cervix in Kontakt kommt. Ansteckungen mit floridem Trippereiter erzeugen bei der Frau viel heftigere, stürmisch einsetzende Erkrankungen, aszendierende Gonorrhoe (WERTHEIM) als solche mit chronischer, latenter Gonorrhoe.

Im Wochenbett erfahren die Gonokokken in den Lochien eine Art von Wiederbelebung, welche eine Aszendenz begünstigt.

Die Ehegatten können sich an die in die Ehe übernommenen Gonokokken gewöhnen, so daß der weitere Gonokokkenaustausch zwischen diesen Leine Symptome erzeugt. "Wenn in einer solchen gonorrhoischen Ehe ein unbefugter Dritter mittut, so kann es geschehen, daß er seinen Uebergriff mit einer akuten Gonorrhoe büßt, obwohl weder beim Manne noch bei der Frau manifeste Erscheinungen der Gonorrhoe bestehen" (Wertheim). Nicht jeder Coitus mit gonorrhoischen Frauen muß eine Infektion nach sich ziehen, da bei chronischer Gonorrhoe die Genitalsekrete zeitweise gonokokkenfrei sein können. Stärkere Reizungen der Genitalien, oftmaliger Coitus, Menstruation, sowie die puerperalen Sekrete fördern die Gonokokken zutage und erhöhen somit die Infektiosität der Frau. Unter diesen Umständen kann auch der symptomlose Tripper des Mannes rekrudeszieren, der Mann durch seinen bei seiner Frau virulenter gewordenen Tripper wieder infiziert werden.

Latente, d.h. symptomlose, aber noch infektiöse Gonorrhoe des Mannes wird bei Exzessen besonders in Venere (Hochzeitsreisen!) exazerbieren, und kann so nach vielleicht 10-20-jähriger Pause wieder zum Vorschein kommen.

Die Vulvovaginitis gonorrhoica der Kinder entsteht nur in der Minderzahl der Fälle durch Stuprum oder genitale Betastung, meist sind es zufällige Berührungen, z.B. mit Schwämmen, mit Bettwäsche, in Badewannen (SKUTSCH) u.a.


Das Verhalten der Gonokokken zu den Geweben ist durch die Untersuchungen von Bumm und Wertheim klargelegt.

Besonders bevorzugt wird vom Gonococcus das Cylinderepithel, das seinen Angriffen überall im Körper unterliegt. Nächstdem sind es weiche, namentlich juvenile Plattenepithelien, die ihnen zusagen. Aeltere oder gar verhornende Pflasterepitheldecken, wie in Vulva und Vagina Mehrgebärender, sind in der Regel geschützt.

Die Wirkung des von den Gonokokken erzeugten Entzündungsreizes ist eine reiche Einwanderung von Eiterkörperchen, kleinzellige Infiltration im Gewebe, Eiterproduktion auf der Oberfläche.

Die frühere Annahme, daß die Tripperkeime nur die Schleimhaut befallen und niemals in die Tiefe des Bindegewebes oder in andere Elemente einzudringen vermögen, ist durch Wertheims Untersuchungen hinfällig geworden, und damit die Verbreitungsgefahr der Gonorrhoe im Körper klargelegt. Wertheim fand die Gonokokken tief in der Muskulatur des Uterus, in thrombosierten Blutgefäßen der Blasenwand und in Lymphbahnen. Menge fand in einem völlig abgeschlossenen Absceß der Uterusmuskulatur typische Gonokokken in Reinkultur. Auch in der Tube fand Wertheim einmal ein völliges Durchwachsen der Gonokokken durch die Wand hindurch und bis auf das Peritoneum.

Wenn somit eine Wanderung der Gonokokken in die Tiefe, in Bindegewebe und Muskulatur, nach obigem Befunde außer Zweifel steht, so wird man mit Bumm diese Fälle doch als besondere ansehen müssen und als Norm und Eigentümlichkeit für die gonorrhoische Infektion festhalten dürfen, daß der Krankheitsprozeß sich vorwiegend in Schleimhäuten lokalisiert. Für die weibliche Gonorrhoe ist die zuerst von Wertheim sichergestellte Tatsache von hoher Bedeutung, daß die Gonokokken auch das Peritoneum zu befallen imstande sind, so daß sie sich hier vermehren und Entzündung mit allen ihren Folgezuständen auslösen.

In den einzelnen Genitalabschnitten gestaltet sich die Tripperinfektion folgendermaßen:



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Achtung!
Dieses Buch ist ein altes Fachbuch, der Inhalt entspricht nicht dem aktuellen Stand der Medizin. Angegebene Therapien entsprechen höchstens dem Stand der Medizin zum angegebenen Druckdatum. Dasselbe gilt für eine ggf. angegebene Rezeptur für ein Medikament. Diese entsprechen nicht dem heutigen Stand der Medizin und sind unter Umständen sogar körperlich schädigend. Die Zubereitung von Rezepturen und die Anwendung derselben gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Apotheker.
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26. 4. 1829
Geburtsdatum des Chirurgen Christian A.T.B. Billroth, der sich mit den von ihm entwickelten Magenoperationen verewigte (Billroth-I- und -II-Operation). Außerdem entwickelte der operative Techniken zur Kehlkopfentfernung und transvaginalen Uterusentfernung (Hysterektomie).

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