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Lehrbuch der Gynäkologie

Otto Küstner, 4.Auflage 1910

 

I. ABSCHNITT.
Anatomie, Entwickelung und Störungen der Entwickelung der weiblichen Genitalien.

Kapitel II.
Entwicklung, Reife und senile Involution der weiblichen Genitalien.
Von Otto Küstner.

Seite: 1/5[ Fötale Entwicklung | Menstruation | Ovulation | Diätetik | Klimakterium ]Weiter (Menstruation)

I. Die fötale Entwickelung.


Ende der 4. Embryonalwoche bildet sich beim Menschen zu beiden Seiten der unteren zwei Drittel des Körpers die Urniere (WoLFFScher oder OKENscher Körper); sie reicht nach oben bis an die untere Grenze der Lungenanlage, bis dahin, wo sich später das Zwerchfell bildet; einige dahingehende Gewebszüge stellen das Zwerchfellband der Urniere dar (v. KÖLLIKER). Die Urniere enthält MALPIGHIsche Körper und einen Ausführungsgang (WOLFFscher Gang), letzterer mündet in die Kloake.

In der 5.-6. Embryonalwoche findet man median von den Urnieren die erste Anlage der Geschlechtsdrüsen in Gestalt von zwei weißlichen Streifen. Sie sind mit Cölomepithel bekleidet, welches sich zum „Keimepithel" differenziert und hie und da aus besonders protoplasmareichen Zellen (Ureier) besteht. Mit dieser Anlage entwickelt sich beiderseits ein Gang, welcher, nach außen vom Urnierengang verlaufend, sich mit demjenigen Teile der Allantois, welcher zum Sinus urogenitalis wird, verbindet (MÜLLERScher Faden).

Aus der Geschlechtsdrüse wird beim Weibe das Ovarium, aus dem MÜLLERschen Faden der gesamte Tractus genitalis von dem Morsus diaboli an bis zum Introitus vaginae. Der MÜLLERSche Faden ist primär von der Geschlechtsdrüse an bis zum Sinus urogenitalis solide und paarig. Darin liegt der Schlüssel für die Erklärung sämtlicher auf diesem Gebiete vorkommenden Mißbildungen; eines von beiden, oder beides zusammen, Atresie oder Duplizität, finden wir bei jeder Bildungshemmung.Treten keine Störungen in der Entwickelung ein, so legen sich die MÜLLERschen Fäden in der unteren Hälfte ihres Verlaufes sehr bald aneinander, verschmelzen zu einem Strange (Geschlechtsstrang), bekommen in den oberen Abschnitten ein mit einschichtigem Cylinderepithel ausgekleidetes Lumen. Weiter unten hat der Geschlechtsstrang, auch nachdem er mit dem Sinus urogenitalis in Zusammenhang getreten ist, noch keinen Hohlraum, sondern besteht aus dicht stehenden, großen protoplasmareichen Zellen. Von diesen zerfallen die axial gelegenen, und so
bekommt allmählich auch dieser Teil ein Lumen und wird zur Vagina. Die Verschmelzung der MÜLLERschen Fäden zu einem Gebilde ist bis etwa zur Gegend des äußeren Muttermundes bereits in der 9. Fötalwoche vollendet, d. h. also, um diese Zeit ist die Vagina schon unpaarig, aber noch solide; der Uterus bleibt noch länger geteilt und ist erst Ende des 4. oder Anfang des 5. Fötalmonates ein einfacher, mit der Scheide kommunizierender Hohl­raum, an welchem die ursprüng­liche Duplizität nur noch durch einen seichten Einknick des Fundus angedeutet ist. Etwa Anfang des 5. Monates hat sich der Uterus von der Scheide durch Bildung einer Vaginalportion gesondert, und etwa Ende des 5. Monates wölbt sich der Fundus, so daß die bis dahin noch bestehende Bifundalität verschwindet. Um den 5. Monat treten im Uterus Muskelfasern auf. Nachdem um dieselbe Zeit sich der Hymen als eine besondere Differenzierung der unteren Scheidenpartie gebildet hat. hat makroskopisch der Genitaltraktus etwa diejenige Gestalt erreicht, welche wir be
im neugeborenen Mädchen finden: deutlicher Hymen, dicke, runzelige Scheide, eine wie aus einzelnen Papillen zusammengeklebte, deutlich prominierende Vaginalportion , eine dicke und lange Halspartie des Uterus und ein sehr kleines, nur als deren Appendix erscheinendes Corpus. Vom äußeren bis zum inneren Muttermund messen wir beim Neugeborenen 2, von hier bis zum Fundus noch nicht l cm. Die Wandung des Corpus ist ganz erheblich dünner als die der Cervix.


Fig. 7. Schema der indifferenten Anlage des Urogenitalsystems aus frühem Stadium, n Niere, kd Keimdrüse, un Urniere, ug Urnierengang, mg MÜLLERscher Gang, mg' sein vorderstes Ende, gh Gubernaculum Hunteri (Urnierenleistenband), hl Harnleiter, hl' seine Einmündung in die Blase, ug", mg" Einmündungen der Urnierengänge und der MÜLLERschen Gänge in den Sinus urogenitalis sug; md Mastdarm, cl Kloake, ghö Geschlechtshöcker, gw Geschlechtswülste, cl' Ausmündung der Kloake, hbl Harnblase, hbl' Verlängerung der Harnblase in den Urachus (später Lig. vesicoumbilicale). (O. HERTWIG, Entwicklungsgeschichte.)

Schon in der ersten Anlage ist ein Epithelunterschied in den verschiedenen Abschnitten des MüLLERschen Ganges bemerkbar. Seine oberen Teile, aus welchen Tube und Uterus werden, erhalten zuerst eine Höhlung und tragen dann einfaches Cylinderepithel; um diese Zeit war der Teil, aus welchem die Scheide entsteht, noch ein mit kubischen Zellen gefüllter, solider Strang. Das einschichtige Epithel der oberen Abschnitte flimmert beim Embryo nicht. Der Besatz mit Flimmercilien findet erst im extrauterinen Leben statt. Die Schleimhaut des Corpus ist von der der Cervix wenig verschieden. Schon makroskopisch findet man sehr häufig die Palmae plicatae beim Embryo und unreifen Kinde bis in den Fundus uteri hineinreichen, und auch mikroskopisch ist ein Unterschied nicht zu gewahren, sofern beim Kinde im allgemeinen die charakteristischen Utrikulardrüsen fehlen. Nach wydeu bestehen in diesem Punkte außerordentliche Verschiedenheiten, so daß neugeborene Mädchen bereits Drüsen im Uterus aufweisen, andererseits solche bei Mädchen von 10-12 Jahren fehlen können.


Fig. 8. Querschnitt durch den Genitalstrang (nach TOURNEUX und LEGAY). Der Querschnitt zeigt die Verschmelzung der MÜLLERschen Gänge (mg); ug Urnierengänge. (O. HERTWIG, Entwickelungsgesehichte.)

Meist sind dann die Drüsen, wie später, im Corpus uteri einfach tubulös, in der Cervix mehrfach verzweigt. In der Cervix bilden sich zuerst Drüsen, erst später im Corpus.


Fig. 9. Schema zur Entwickerung der weiblichen Geschlechtsorgane aus der indifferenten Anlage des Urogenitalsystems, welche in Fig. 7. schematisch dargestellt ist. Die bestehen bleibenden Teile der ursprünglichen Anlage sind durch schwarze Linien, die sich rückbildenden Teile durch Punkte angegeben. Die Lage, welche später, nach vollzogenem Descensus, die inneren weiblichen Geschlechtsteile einnehmen, ist ebenfalls mit punktierten Linien angedeutet, n Niere, ei Eierstock, ep Epoophoron, pa Paroophoron, hy Hydatide, t Tube (Eileiter), ug Urnierengang, ut Uterus, sch Scheide, hl Harnleiter, hbl Harnblase, hbl' ihr oberer Zipfel, der in das Ligamentum vesico-umbilicale medium übergeht, hr Harnröhre, vv Scheidenvorhof, rm rundes Mutterband (Leistenband der Urniere), lo' Ligamentum ovarii. Die Buchstaben t' ep' ei' lo' bezeichnen die Lage der Organe nach erfolgtem Descensus. (O. HERTWIG, Entwickelungsgeschichte.)


Fig. 10. Schema der Urogenitalorgane eines Säugetieres aus frühem Stadium. (Nach ALLEN THOMSON.) Die Teile sind vorzugsweise im Profil, der MÜLLERsche und der Urnierengang aber von vorn gesehen dargestellt. 3 Ureter, 4 Harnblase, 5 Urachus, ot Keimdrüse (Ovarium oder Testis), W linke Urniere, x Zwerchfellband der Urniere, w Urnierengang, m MÜLLERscher Gang, gc Genitalstrang, aus den von gemeinsamer Scheide umschlossenen WoLFFschen und MÜLLERschen Gängen bestehend, i Mastdarm, ug Urogenitalsinus, cp Geschlechtshöcker, der zur Clitoris oder zum Penis wird, ls Geschlechtswülste, aus denen die Labia majora oder das Scrotum hervorgehen.

Von der Geburt bis zur Geschlechtsreife erfährt der Genitaltraktus des Mädchens keine wesentlichen Veränderungen. Selbst nicht einmal eine erhebliche Volumszunahme findet statt, weder des Uterus noch der Scheide; der Uterus eines 10-jährigen Mädchen ist wenig größer als der eines neugeborenen.

Um die Zeit der Geschlechtsreife jedoch fängt das Organ mächtig an zu wachsen, das Corpus beginnt über den cervikalen Teil zu prävalieren, die Muskulatur des ersteren wird dicker als die der Cervix; während früher das Corpus nur als ein Anhängsel der Cervix erschien, wird es jetzt selbständiger in Form und Lage, es biegt sich gegen den cervikalen Teil in scharfer Kurve nach vorn zu ab, normale Anteflexio des virginalen Uterus. Eine wesentliche Veränderung erleidet die Schleimhaut des Corpus: jetzt bilden sich regelmäßig, und zwar außerordentlich zahlreiche, schlauchförmige, meist einfache, selten in der Nähe ihres Fundus gabelig gespaltene Drüsen; sie durchdringen die Schleimhaut in ihrer ganzen Dicke, sind mit einfachem Gylinderepithel ausgekleidet. Das Epithel der Oberfläche dagegen erhält Wimpern, wird Flimmerepithel. Das Bindegewebe, in welches die Drüsen eingesenkt sind, besteht aus Spindel- und Rundzellen mit einem zarten intercellulären Netzwerk. Die Dicke der Schleimhaut beträgt etwa 3 mm. Ihre Oberfläche, vorher meist noch mit Ausläufern der Falten der Arbor vitae versehen, wird jetzt glatt; die Arbor vitae beschränkt sich nur noch auf die Cervix und schneidet am inneren Muttermunde scharf ab. Die Schleimhaut der Cervix enthält außer den zahlreichen Falten und Buchten Drüsen, und zwar oft schon von früher her, mehrfach verzweigte, auf dem Durchschnitt hirschgeweihartig aussehende, mit zahlreichen Becherzelleu versehene Schleimdrüsen.


Fig. 11. Entwickelung des Uterus. 4 Uteri en face aufgeschnitten gedacht, a einer ausgetragenen Frucht, b eines 7-jährigen Mädchens, r. einer geschlechtsreifen Virgo, d einer Frau, welche geboren hat. Bei a ist die Muskulatur des Corpus noch schwach entwickelt, das Corpus ist nur halb so lang wie die voluminöse Cervix. Auch bei b prävaliert die Muskeldieke der Cervix noch vor der des Corpus. Bei c und d ist die Muskulatur des Corpus viel mächtiger als die der Cervix. Bei a reichen die Falten der Arbor vitae noch in das Corpus hinein, bei b nur bis an den inneren Muttermund, doch ist im Corpus noch Faltenbildung angedeutet. Bei c reichen die Arborfalten genau bis zum inneren Muttermund, bei d nicht mehr bis ganz dahin, sind durch die Schwangerschaftsveränderung der Schleimhaut und Abstoßungsvorgänge bei der Geburt und im Wochenbette zum Wegfall gekommen. Die Buchstaben a, b, c, d stehen genau an der Grenze zwischen Corpus und Cervix, d. i. am inneren Muttermund.

Mediän vom MÜLLERschen Gange entwickelt sich, wie oben gesagt, bis zur 6. Woche beim menschlichen Embryo die Keimdrüse.

Die Anlage der Keimdrüse ist für beide Geschlechter gleich, ein bindegewebiges Stroma mit einem Cölomepithelüberzug (Cylinderzellen). In den nächsten 3 Monaten findet ihre Geschlechtsdifferenzierung statt, welche beim Weibe in einem sehr regen gegenseitigen Durchwachsen von Epithel einerseits, Bindegewebe und Gefäßen andererseits, welche dem Stroma des WoLFFschen Körpers entstammen, bestellt. Die Epithelzapfen, welche in das Bindegewebe hineindringen, sind die Eifächer (NAGEL), Eiballen (WALDEYER). Durch abschnürende Wachstumsprozesse und weitere Zerlegung in immer kleinere Abschnitte entstehen die Primärfollikel. Während diese in die Tiefe des Eierstockstromas rücken und sich zu Follikeln umbilden, findet ein weiterer Nachschub von Primärfollikeln von der Oberfläche her statt. Als letzten Rest dieses Vorganges sieht man bei Neugeborenen Einstülpungen des Oberflächen-(Keim-) Epithels in das Stroma des Eierstockes hinein, welche gelegentlich mit jüngsten Primärfollikeln in Verbindung stehen (PFLüGER-VALENTiNsche Schläuche).


Fig. 12. Teil eines sagittalen Durchschnittes vom Eierstock eines neugeborenen Kindes. Stark vergrößert. ke Keimepithel, esch PFLÜGERsche Schläuche, ue im Keimepithel gelegene Ureier. esch' langer, in Follikelbildung begriffener PFLÜGERscher Schlauch, eib Eiballen, ebenfalls in der Zerlegung in Follikel begriffen, f jüngste, bereits isolierte Follikel, gg Gefäße. In den Schläuchen und Eiballen sind die Primordialeier und die kleineren Epithelzellen, das spätere Follikelepithel, zu unterscheiden. (O. HERTWIG, Entwickelungsgeschichte.)

Die Eier unterscheiden sich schon in den PFLüGERSchen Schläuchen (Ureier) von den Epithelzellen durch beträchtliche Größe. Die Bildung der Follikel ist beim Menschen spätestens bald nach seiner Geburt beendet. Eine Neubildung, weder von Primärfollikeln noch von PFLüGERschen Schläuchen, findet später nicht mehr statt (entgegen der Ansicht von KÖSTER und PALADINO). Dagegen gehen von den im Embryonalleben gebildeten Primärfollikeln schon während des 1. Lebensjahres sehr viele zugrunde, ohne daß in dem Bindegewebe des Eierstockparenchyms Spuren von ihnen zu entdecken wären. Wie erwähnt, finden wir an der medianen Seite der MüLLBRSchen Gänge, zwischen diesen und den Anlagen der Keimdrüsen, Ende der 4. Embryonalwoche die Urnieren oder WoLFFSchen Körper. Diese Organe haben vermutlich Nierenfunktion, bis sich die definitiven Nieren nach außen und oben von ihnen gebildet haben. Nachher atrophieren sie, die untere Hälfte bis zum Verschwinden, die obere bleibt erhalten, und zwar beim Manne als Ausführungsgang der Geschlechtsdrüse, als Nebenhoden, beim Weibe als rudimentäres Organ, als Nebeneierstock. Vom Nebeneierstocke aus wachsen Elemente bis an den Hilus ovarii, gelegentlich bis in das ovariale Gewebe hinein und liegen dann naturgemäß im Marke des Ovariums (WALDEYER-KöLLiKERSche Markstränge).

Der Ausführungsgang der Urniere persistiert beim Manne als Samenleiter, Vas deferens. Beim Weibe atrophiert er zu dem sogenannten Hauptkanale des Parovariums. Bei den Wiederkäuern und anderen Tieren regelmäßig, oft auch beim Menschen bleibt er als ein Kanal bestehen, der vom Parovarium durch das Lig. lat. bis in die Cervixsubstanz verläuft (GARTNERscher Kanal). Die in der Cervix liegenden Teile dieses Ganges sind die Homologa der Samenblasen des Mannes (klein). Gelegentlich persistieren auch die unteren Abschnitte der WoLFFschen Gänge, welche neben der Scheide bis an den Hymen verlaufen; das sind die paraurethralen Gänge. Die SKENESchen Drüsen, die Homologa der Prostatadrüsen des Mannes (ASCHOFF, GROSCHUFF, KLEIN) stammen nicht von den GARTNERschen Gängen ab.

Bald nachdem WoLFFSche und MÜLLERSche Gänge entstanden sind, münden sie in die untere Partie der Allantois ein, welche um diese Zeit noch eine aus der Leibeshöhle vorn austretende Ausstülpung des End­darmes bildet. Später schließen sich die Bauchplatten bis auf den Nabelring. Der Teil der Allantois zwischen Nabel und Ein­mündung der WoLFFschen und müller-schen Gänge wird oben Ligamentum vesicae medium, in der Mitte Blase und Harnröhre. Der nach dem Leibesende absteigende Schenkel heißt Sinus urogenitalis, der auf­steigende Mastdarm und der beiden gemeinsame untere Teil Kloake.


Fig. 13. Die Beckenorgane eines weiblichen menschlichen Embryos von 4 cm Länge in situ. Ansicht von oben. Nach NAGEL. 1 Urachus mit den beiden Artt. umbilicales, 2 Ligamentum teres uteri (Gubernaculum Hunteri), 3 Ovarium, 4 Tuba.

Ehe sich in der 6. Embryonalwoche die Kloake nach außen öffnet, während sie noch durch eine dünne, nur aus Entoderm und Ektoderm gebildete Haut verschlossen ist (Kloakenplatte), bildet sich unmittelbar vor ihr ein aus mesodermalem Gewebe bestehender, mit Ektoderm überzogener Höcker (Geschlechtshöcker), an dessen Bildung sich alsbald eine nach hinten die Kloakenmembran median teilende, zunächst noch flache Furche (Rima genitalis) anschließt. Die diese Furche nach beiden Seiten begrenzenden Hautfalten sind die Geschlechtsfalten; außerdem erheben sich rechts und links von diesen, vorn über dem Geschlechtshöcker konfluierend, 2 größere Wülste, die Geschlechtswülste. Dadurch, daß nun die frontale Scheidewand, welche den vorderen Teil der Allantois (Allantenteron) von dem Enddarm trennt, weiter herunterwächst, bis sie den ektodermalen Teil der Kloakenplatte erreicht, wird der vordere Teil (Sinus urogenitalis) von dem hinteren (Mastdarm) getrennt. Diese trennende Scheidewand stellt, fertig geworden, den Damm dar. Erst nachher erfolgt der Durchbruch des Sinus urogenitalis und des Enddarms nach außen, des ersteren in die Rima genitalis hinein durch Epithelschwund, und zwar des ersteren früher als des letzteren. In analoger Weise, wie der Mastdarm von dem Genitalstrang durch das Herunterwachsen der frontalen Scheidewand schließlich definitiv getrennt wird, werden durch das Wachstum einer entsprechenden Scheidewand Blase und Harnröhre von dem Genitalstrang geschieden. Die Umbildung der äußeren Geschlechtsteile erfolgt so, daß aus dem Geschlechtshöcker die Clitoris, aus der Rima genitalis der ektodermale Teil des Vestibulums, aus den Geschlechtsfalten die Labia minora, aus den Geschlechtswülsten die Labia majora werden. Zu Ende des 4. Embryonalmonats ist die Differenzierung der äußeren Geschlechtsteile beendet.


Fig. 14. Aeußere Genitalien eines 8 Wochen alten Foetus, an welchem eine Geschlechtsverschiedenheit noch nicht zu erkennen ist.


Fig. 15. Aeußere Genitalien eines 3 Monate alten männlichen Embryo.


Fig. 16. Aeußere Genitalien eines 4 1/2 Monate alten weiblichen Embryo. gh Geschlechtshöcker, gf Geschlechtsfalte, gw Geschlechtswülste, gr Geschlechtsrinne, gp Glans penis, cl Clitoris, d Damm, a After, vv Vestibulum vaginae, vh Vorhaut, hs Hodensack, d und r Rhaphe perinei et scroti, gsch große Schamlippen, ksch kleine Schamlippen. (Nach ECKER-ZlEGLER-HERTWIG.)

Wo die Vagina in den ektodermalen Sinus urogenitalis mündet, bildet sich der Hymen, und zwar nach DOHRN erst nach der Einmündung; d. h. der Hymen ist erst eine vaginale Bildung, er entsteht nicht eo ipso durch die Einmündung des Geschlechtsstranges in den Sinus urogenitalis. Doch ist diese Erage noch nicht endgültig entschieden. Nach anderen (NAGEL) wird der hintere Band des Hymens schon durch die Eigentümlichkeit, daß die Einmündung der Vagina in dem Sinus urogenitalis schräg von hinten nach vorn zu erfolgt, angelegt.

Schon im 3. Embryonalmonat, also zu einer Zeit, in welcher der weibliche Geschlechtsapparat morphologisch noch nicht fertig ist, bahnt sich ein für die Topographie bedeutungsvoller Vorgang an, der Descensus ovariorum. Das HUNTERsche Leitband, ein in eine Bauchfellfalte eingeschlossener, starker, zunächst bindegewebiger, später muskulöser Streifen verbindet schon früh die Urniere mit dem Leistenkanal. Um die Zeit, wo die Urniere (im 3. Embryonalmonat) schwindet, beginnt auch dieses Band mit dem allgemeinen Körperwachstum nicht mehr Schritt zu halten und übt so an der Geschlechtsdrüse einen Zug aus, so daß diese gezwungen wird, sich dem Becken zu nähern. Das Leitband verwächst in seinem oberen Drittel mit den MÜLLERschen Gängen an ihrer Vereinigungsstelle (Fundus uteri), so daß es schließlich in zwei ungleich lange Hälften geteilt ist, eine, welche vom Fundus uteri zum Leistenkanal (Ligamentum uteri rotundum, das ursprüngliche Leistenband der Urniere), und eine, welche zwischen Fundus uteri und Ovarium verläuft
(Ligamentum ovarii proprium, der untere Teil des ursprünglichen Zwerchfellbandes der Urniere).

Bei einigen Nagern atrophiert während des extrauterinen Lebens das Leistenband, so daß sie als Embryonen ein Lig. rot., als erwachsene Tiere keins besitzen.

Während beim Embryo und beim Kinde die Ovarien noch oberhalb des ßeckeneingangs liegen, sinken sie später mehr und mehr in das kleine Becken hinab. Für diesen letzten Akt des Descensus ovariorum ist vielleicht die allmählich zunehmende Schwere dieser Organe mitverantwortlich zu machen.

Daß das Ovarium nicht so weit herabsteigt wie der Hoden, d. h. keinen vollständigen Descensus durchmacht, wird durch die voluminöse Entwickelung des Uterus, an welchem die Ovarien fest und kurz befestigt sind, bewirkt. Nur bei pathologischer Entwickelungshemmung des Uterus steigt gelegentlich das Ovarium durch den Leistenkanal in das Labium majus hinab (Hernia ovarii), erfährt also dann denselben vollständigen Descensus wie der Hoden. Der durch das Zustandekommen des vollständigen Descensus testis gebildeten Einstülpung des Peritoneums in den Hodensack hinein entspricht das nur den uterinen Anfangsteil des Ligamentum rotundum bekleidende Diverticulum Nuckii.





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Dieses Buch ist ein altes Fachbuch, der Inhalt entspricht nicht dem aktuellen Stand der Medizin. Angegebene Therapien entsprechen höchstens dem Stand der Medizin zum angegebenen Druckdatum. Dasselbe gilt für eine ggf. angegebene Rezeptur für ein Medikament. Diese entsprechen nicht dem heutigen Stand der Medizin und sind unter Umständen sogar körperlich schädigend. Die Zubereitung von Rezepturen und die Anwendung derselben gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Apotheker.
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