Heidelbeere. (Vaccinium myrtillus)
Um Jakobi herum gehen die Kinder so gerne in die Wälder. Die Heidelbeeren sind reif, eine Leibspeise für die jungen Springinsfelde. Auch alte Kinder lassen sich die Beeren recht gut schmecken. In Großstädten, aus den Obstmärkten sieht man die schwarzen Bekannten korbweise stehen ; manches Studentlein denkt an vergangene schöne Jugendzeit, wo es mit der kleinen Schwester in die "Hoidlen" - wie die Schwaben sagen - ging, und läßt sieh von der Obstfrau für ein paar Pfennige die anheimelnden Schwarzlinge in die Tasche schütten.
Kein Haus sollte sein, das nicht eine gute Portion Heidelbeeren dörrt und für's Jahr aufbewahrt. Sie sind zu gar Vielem nütze.
Man bringt Heidelbeeren, so viel man mit 2-3 Handvoll fassen kann, in ein Glas und gießt guten, echten Branntwein darauf. Je längere Zeit (selbst Jahre lang) die angesetzten Beeren stehen, d.h. je besser dieselben ausgezogen werden, um so schärfer wird und wirkt die Medizin solchen Beerengeistes.
Wer an leichten Diarrhöen leidet, nehme von Zeit zu Zeit einige getrocknete, rohe Heidelbeeren, verkaue und schlucke sie. Sehr oft genügt dieses leichteste Mittelchen. Ich sah Badegäste in großen Badestädten, die, um unangenehmen Ueberraschungen aus dem Spaziergange vorzubeugen, von der erfahrenen und umsichtigen Hausfrau derlei "Diarrhöestillpillchen" mit auf den Weg bekamen.
Heftiges, andauerndes Abweichen, mit großen Schmerzen verbunden, bei dem mitunter Blut abgeht, stillt ein
Löffel Heidelbeerbranntwein, genommen in 1/8 Liter warmen Wassers. Nach 8-10 Stunden kann man die gleiche Medizin nochmals nehmen. Eine dritte Repetition wird kaum mehr nothwendig sein. Suche man in der Apotheke ein unschuldigeres und doch wirksameres Mittel!
Bei gefährlichen Ruhrerkrankungen arbeitet derselbe Heidelbeergeist der äußeren Wasseranwendung (warme Aufschläge von Wasser und Essig auf den Unterleib) von innen überaus wirksam entgegen.
Unter den Tinkturen unserer Hausapotheke ist die Heidelbeertinktur die erste und unentbehrlichste. Sie dient in all' den oben bezeichneten Fällen und ist einer der wärmsten Freunde des Unterleibes. Die Dosis richtet sich nach dem Grade des Uebels: die kleinste beträgt 1-12 Tropfen auf Zucker, die stärkere etwa 30 Tropfen, die stärkste und größte einen Kaffeelöffel, in warmem Wasser oder in Wein (6 Löffel voll) genommen.
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