Lumbalänesthesie
Vielfach wird neuerdings Biers Lumbaianästhesie angewandt. Ursprünglich wurde die Methode ausgeführt, wie folgt:
An der sitzenden Kranken, welche man einen Buckel machen läßt, Einstechen einer kräftigen Punktionsnadel zwischen 3. und 4. Lendenwirbel, d. i. in der Höhe der Darmbeinschaufeln oder in den darüber oder darunter gelegenen Intervertebralraum so tief, daß man in den lumbaren Arachnoidealraum gelangt, was der Fall ist, wenn aus der Nadel einige Tropfen klarer Cerebrospinalflüssigkeit ausfließen. Einspritzen von 1 g Flüssigkeit mit 0,005—0,01 Cocain (Eucain ß), nachdem man etwa 1 g Spinalflüssigkeit abgelassen hat. Darauf tritt Analgesie der Unterextremitäten und der Beckenorgane auf; dieselbe hält 30 Minuten bis 2 Stunden an, kann also bereits für die kompliziertesten gynäkologischen Operationen ausreichen. Die Gefahren dieser Methode bis zum tödlichen Ausgange waren immerhin zu berücksichtigen ; sie bestanden in der Giftigkeit des Cocains und in dem Aufsteigen der Injektionsflüssigkeit in höher belegene Partien des Spinalkanals und die Ventrikel. Weniger giftige Substanzen waren wirkungslos. Während Bier selbst noch vor unbegrenzter Verallgemeinerung der Methode warnen mußte, so hat sie doch zweifellose Verbesserungen erfahren, welche größere Sicherheit und größere Ungefährlichkeit bedeuten. Das Wichtigste ist, daß das Cocain fallen gelassen und durch Tropococain, Novocain, Eucain oder Stovain zusammen mit Adrenalin ersetzt wurde, daß zweitens die kleine Operation selbst unter Anwendung besserer Kautelen ausgeführt wurde. Wir wenden Novocain mit Adrenalin, wie es in zugeschmolzenen Phiolen von den Höchster Farbwerken geliefert wird, an, und bedienen uns des von G. Krönig angegebenen Apparates, vermittels dessen man den Druck im Duralsack kontrollieren kann. B. Krönig kombiniert die Methode mit dem Skopolamindämmerschlaf. Nicht selten erzielt man ausgezeichnete Narkosen auch ohne Skopolamin. Nicht selten treten tagelang und länger anhaltende, mitunter äußerst lästige Koptschmerzen danach auf. Ferner kontraindiziert die Methode eine steile Beckenhochlagerung wegen der Möglichkeit des Einfließens der Injektionsflüssigkeit in hoher belegene Rückenmarkskanalpartien. Die bedeutende Erschlaffung der Bauchmuskulatur nach Lumbaianästhesie gewährt für die Laparotomie Vorteile.
Nicht selten hatten auch die Gynäkologen Gelegenheit, nach ihren Operationen "Narkosenlähmungen" zu beobachten. Ich sah sie nur an den Oberextremitäten und nur, wenn bei der Narkose die Arme über den Kopf zurückgeschlagen gehalten worden waren (wie in Fig. 349). Diese mitunter bald spontan, in manchen Fällen aber auch erst nach längerer Faradisation zurückgehenden Lähmungen waren zweifellos auf Druck seitens der Clavikel oder des Humeruskopfes auf den Plexus brachialis zurückzuführen und stellten somit eine Analogie zu den schon längst bekannten Schlaflähmungen dar. Seitdem ich dafür Sorge trage, daß während der Operationen die Arme durch besondere Armhalter (Rothe) gestreckt neben dem Rumpf gehalten werden, sehe ich keine Narkosenlähmungen mehr.
Fig.337. Beinhalter nach Sänger-VON Ott. Kniekehlenkappen, zwischen ihnen verlängerbarer eiserner Stab; von ihm aus entspringen die zwei Enden des um den Nacken der zu Operierenden herumgeführten Riemens.
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