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Organon der Heilkunst

Samuel Hahnemann, 6. Auflage, Ausgabe 1921

 

§245 bis §291
Heilmittel.

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§288


Hier finde ich noch nöthig, des von der Natur aller übrigen Arzneien abweichenden, sogenannten thierischen Magnetismus, oder vielmehr des (dankbarer nach MESMER, seinem ersten Begründer, zu benennenden) Mesmerisms Erwähnung zu thun. Diese, oft thörichter Weise, wahrend eines ganzen Jahrhunderts geleugnete oder geschmähte Heilkraft, ein wundersames, unschätzbares, dem Menschen verliehenes Geschenk Gottes, mittels dessen durch den kräftigen Willen eines gutmeinenden Menschen auf einen Kranken durch Berührung und selbst ohne dieselbe, ja selbst in einiger Entfernung die Lebenskraft des gesunden mit dieser Kraft begabten Mesmerirer in einem andern Menschen dynamisch einströmt, (wie einer der Pole eines kräftigen Magnet-Stabes in einen Stab rohen Stahl’s) wirkt auf verschiedene Weise: indem sie in dem Kranken teils die hie und da in seinem Organismus mangelnde Lebenskraft ersetzt, teils die in andern Stellen allzusehr angehäufte und unnennbare Nervenleiden erregende und unterhaltende Lebenskraft ableitet, mindert und gleicher verteilt und überhaupt die krankhafte Verstimmung des Lebensprincips der Kranken auslöscht und mit der normalen des auf ihn kräftig einwirkenden Mesmerirers ersetzt, z.B. bei alten Geschwüren, bei Amaurose, bei Lähmungen einzelner Glieder u.s.w. Manche schnelle Schein-Cur mit großer Natur-Kraft begabter Zoo-Magnetiker in allen Zeitaltern, gehört hieher. Am glänzendsten aber zeigte sich die Wirkung von mitgetheilter Menschenkraft auf den ganzen Organism, bei Wiederbelebung einiger, geraume Zeit im Scheintode gebliebner Personen, durch den kräftigsten, gemüthlichsten Willen eines, in voller Lebenskraft blühenden Mannes *,

* Vorzüglich eines solchen, wie es deren wenige unter den Menschen giebt, welcher bei großer Gutmüthigkeit und vollständiger Körperkraft, einen sehr geringen, oder gar keinen Begattungs-Trieb besitzt, bei welchem also die, bei allen Menschen auf Bereitung des Samens zu verwendenden, feinen Lebens-Geister in Menge vorhanden und bereit sind, sich durch willenskräftige Berührung andern Personen mitzutheilen. Einige dergleichen heilkräftige Mesmerirer, die ich kennen lernte, besaßen alle diese besondern Eigenschaften.


eine Art Todten Erweckung, wovon die Geschichte mehrere unleugbare Beispiele aufweist. Ist die mesmerirende Person, des einen oder andern Geschlechts, zugleich eines gutmüthigen Enthusiasm's fähig (wohl gar seiner Ausartung, der Bigotterie, des Fanatisms, des Mysticisms oder menschenliebiger Schwärmerei), so ist sie um desto mehr im Stande, bei dieser philantropischen, sich selbst aufopfernden Verrichtung, nicht nur die Kraft ihrer vorherrschenden Gemüthlichkeit auf den ihrer Hülfe bedürfenden Gegenstand ausschließlich zu richten, sondern auch gleichsam dort zu concentriren und so zuweilen anscheinende Wunder zu thun.


§289


Alle die gedachten Arten von Ausübung des Mesmerisms, beruhen auf einer dynamischen Einströmung von mehr oder weniger Lebenskraft in den Leidenden, und werden daher positiver Mesmerism genannt *.

* Mit Fleiß gedenke ich hier, wo ich von der entschiedenen und sichern Heilkraft des positiven Mesmerism’s zu sprechen hatte, nicht jener, höchlich zu mißbilligenden Uebertreibung desselben, wo vermittelst, während halber, ja oft ganzer Stunden auf einmal wiederholte, selbst täglich fortgesetzte Striche dieser Art, bei nervenschwachen Kranken jene ungeheure Umstimmung des ganzen Menschenwesens herbeigeführt ward, die man Somnambulism und Hellsichtigkeit (clairvoyance ) nennt, worin der Mensch, der Sinnenwelt entrückt, mehr der Geisterwelt anzugehören scheint - ein höchst unnatürlicher und gefährlicher Zustand, wodurch man nicht selten chronische Krankheiten zu heilen vergeblich versucht hat.


Eine dem entgegengesetzte Ausübung des Mesmerismus aber verdient, da sie das Gegentheil bewirkt, negativer Mesmerism genannt zu werden. Hieher gehören die Striche, welche zur Erweckung aus dem Nachtwandlerschlafe gebraucht werden, so wie alle die Handverrichtungen, welche mit den Namen CaImiren und Ventiliren belegt worden sind. Am sichersten und einfachsten wird diese EntIadung der, bei ungeschwächten Personen in einem einzelnen Theile übermäßig angehäuften Lebenskraft, durch den negativen Mesmerism bewirkt, mittels einer sehr schnellen Bewegung der flachen, ausgestreckten rechten Hand, etwa parallel, einen Zoll entfernt vom Körper, vom Scheitel herab bis über die Fuß-Spitzen geführt **.

** Daß die, entweder positiv oder negativ zu mesmerirende Person, an keinem Theile mit Seide bekleidet sein dürfe, ist eine schon bekannte Regel; aber weniger bekannt ist es, daß der Mesmerirer, wenn er selbst auf Seide steht, seine Lebenskraft in vollerem Maße dem Kranken mittheilen kann, als wenn er auf dem bloßen Fußboden steht.


Je schneller dieser Strich vollführt wird, eine desto stärkere Entladung bewirkt er. So wird z. B. beim Scheintode einer vordem gesunden ***

*** Einer chronisch schwächlichen, lebensarmen Person ist daher ein, vorzüglich sehr schneller Negativstrich, auf jeden Fall, äußerst schädlich.


Frauensperson, wenn ihre dem Ausbruche nahe Menstruation plötzlich durch eine heftige Gemüthserschütterung gehemmt worden war, die, wahrscheinlich in den Präcordien angehäufte Lebenskraft, durch einen solchen negativen Schnellstrich entladen und wieder im ganzen Organismus ins Gleichgewicht gesetzt, so daß gewöhnlich die Wiederbelebung allsogleich erfolgt ****,

**** Ein zehnjähriger, kräftiger Knabe auf dem Lande, ward wegen einer kleinen Unpäßlichkeit, früh von einer sogenannten Streicherin mit beiden Daumenspitzen von der Herzgrube aus, unter den Rippen hin, sehr kräftig, mehrmals gestrichen, und verfiel sogleich mit Todtenblässe in eine solche Unbesinnlichkeit und Bewegungslosigkeit, daß man ihn mit aller Mühe nicht erwecken konnte und ihn fast für todt hielt. Da ließ ich ihm von seinem ältesten Bruder einen möglichst schnellen, negativen Strich vom Scheitel bis über die Füße hin geben, und augenblicklich war er wieder bei Besinnung, munter und gesund.


so mildert auch zuweilen ein gelinder, weniger schneller Negativstrich, bei sehr reizbaren Personen, die zuweilen allzu große Unruhe und ängstliche Schlaflosigkeit, welche von einem allzu kräftig gegebnen positiven Striche herrührte u. s. w.



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Dieses Buch ist ein altes Fachbuch, der Inhalt entspricht nicht dem aktuellen Stand der Medizin. Angegebene Therapien entsprechen höchstens dem Stand der Medizin zum angegebenen Druckdatum. Dasselbe gilt für eine ggf. angegebene Rezeptur für ein Medikament. Diese entsprechen nicht dem heutigen Stand der Medizin und sind unter Umständen sogar körperlich schädigend. Die Zubereitung von Rezepturen und die Anwendung derselben gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Apotheker.
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