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Meine Wasserkur

Sebastian Kneipp, 49. Auflage 1894

 

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Wasser-Anwendungen
Trinken
Von Sebastian Kneipp.


G. Trinken des Wassers.

In diesem Stücke kann ich mich sehr kurz fassen. Ich warne vor zwei Extremen, d.h. vor zwei das richtige Maß überschreitenden Ansichten. Es sind einige Jahrzehnte her, da gab es förmliche Wassertrinkturniere. Wer die meisten "Maßerl zwang", der war der größte Held, Ein tägliches Quantum von 4, 6, 8, 10 Maß zählte durchaus nicht zu den Seltenheiten. Noch heutzutage spuckt in manchem Kopfe der Gedanke, viel Wassertrinken müsse gesund machen. Besser noch diese Grille als die andere, welche dem glühenden Hirn vorsingt, 3, 4, 5 Maßerl braunes Gerstenwasser sei nicht zu viel Flüssiges für die Menge des täglich eingenommenen Festen.

Den Leuten der zweiten Gattung scheint das Gegentheil von dem Gesagten das Richtige zu sein, sie trinken Wochen, ja Monate lang gar kein Wasser; denn das Wassertrinken ist nicht vom Guten, wie sie meinen.

Wie doch die Menschen zu Zeiten allen gesunden Sinn verlieren, sich förmlich jedes vernünftige Urtheil unterbinden, jedem instinktiven Trieb und Gefühl, dem die Thiere blind Folge leisten, um es gemein zu sagen, von vornherein den Hals abschneiden. Ist dieses vernünftig?

Einige Minuten, bevor die Uhr schlägt, kündigt sich's an. Hat denn der große Werkmeister, unser Schöpfer, etwas Halbes, ein Pfuschwerk gemacht? Oder haben die Menschen in seine wunderbare Ordnung die Unordnung gebracht? So ist es. Der unendlich weise Schöpfergott läßt den Hunger ein Zeichen geben, wann gegessen, den Durst anklopfen, wann getrunken werden soll Der Menschenkörper, diese lebendige Uhr vom besten Gang und Schlag, liefe und schlüge vortrefflich, wenn nicht der Menschenthor Schmutz und Sand und anderen Unrath zwischen die Räder werfen und so den geordneten Lauf stören, vielleicht zerstören würde.

So oft die zahmen und wilden Thiere Hunger verspüren, suchen sie Nahrung; so oft der Durst sich einstellt, eilen sie zum frischen Quell. Nach erfolgter Sättigung hören sie sofort auf, ein Weiteres zu sich zu nehmen.

Gerade so handelt der unverdorbene Mensch bei geregelter Lebensweise, gleichviel ob er gesund sei oder krank.

Demnach lautet unser einziger und oberster Hieher gehöriger Grund sah, ein goldener Grundsatz, den ein Jeder befolgen sollte:

Trinke, so oft es dich dürstet, und trinke nie viel!

Ich kenne Personen, welche die ganze Woche hindurch vielleicht keinen Tropfen Wasser trinken, andere, die sich beim Frühstück mit dem herkömmlichen Glase für den ganzen Tag begnügen. Sie fühlen niemals Durst, und dieses erklärt sich also, daß bei unserer Zubereitung von Speisen in letzteren dem Körper täglich eine Menge Wasser zugeführt wird. Wenn wir von großen Erhitzungen des Sommers oder von den in der Regel eine Krankheit anmeldenden Hitzen im Körper absehen, so ist der eigentliche Durst vielen Menschen ein seltener Gast, und es bleibt mir wenigstens stets ein Räthsel, wie gleichwohl so viele Menschen ohne jedes Bedürfniß im armen Magen förmliche Überschwemmungen anrichten. So etwas kann ja nicht ungerächt bleiben.

An dieser Stelle muß ich doch ein Wort sagen über das Trinken bei Tisch, hauptsächlich während des Mittagessens. Bei Landleuten kommt es kaum oder wenigstens nicht in ausgedehntem Maße vor. Die Sache betrifft mehr die Stadt- und Herrenleute. "Unter das Essen hineintrinken", wie man sagt, ist nicht gut. Ich kenne manche Aerzte, besonders der älteren Schule, welche den Gesunden dieses abrathen und ihren Kranken solches entschieden verbieten. Wer ein Auge hat und etwas Erfahrung, weiß, daß Alle, welche während des Essens viel Wasser, Bier oder Anderes genießen, mit einem Worte, daß alle Vieltrinker stets über Mangel an Verdauung klagen.

Es kann gar nicht anders sein. Wie so?

Während man die Speise im Munde kaut, wird sie, oder soll sie gemischt, ganz durchdrungen werden vom Speichel, der ja zu diesem Zwecke von eigenen Organen, den Speicheldrüsen, bereitet wird. Es wäre unklug, irgend etwas Festes zu schlucken, d.i. es in den Magen, diese lederne Maschinerie, zu bringen, bevor jene erste wichtige Vorarbeit der Verkleinerung und Erweichung gut und recht gethan ist. — Im Magen werden sodann die also vorbereiteten Speisen mit dem Magensäfte getränkt. Je reiner, je besser, je ursprünglicher, d. i, je unvermischter dieser wichtige Saft, desto besser die Verdauung und ihre Resultate, d.h. desto besser auch die durch die Verdauung bereiteten und der Natur zur Ausarbeitung und Vervollkommnung der verschiedenen Bestandtheile des Körpers vorgelegten Säfte und Nährstoffe.

Wenn Jemand nun eine Speise ißt und das Genossene mit fremder Flüssigkeit, sei es Wasser, Wein oder Bier, übergießt, so wird diese Speise schon nicht mehr von reinem Magensaft durchdrungen, sie wild, zum Theile wenigstens, durchtränkt von dem zugeschütteten Wasser, Bier und Wein.

Wer während einer Mahlzeit das besagte Ueberschütten sechs- bis achtmal vornimmt, verdünnt einmal den Magensaft derart, daß er als Verdauungsessenz nicht mehr dient, und bewirkt sodann, daß sein Magen von einem auf sechs bis achtfache Art gemischten Speisebrei erfüllt, vielmehr gequält ist. Wer will da noch klagen, daß der arme Magen nicht Ach und Weh schrei!, daß die Verdauung eine schlechte ist, wie so oft die Klage lautet!

Wie soll man demnach sein Trinken einrichten?

Wer vor dem Essen Durst hat, der trinke! Durch den Durst zeigt sich die Dürftigkeit der Säfte an. Die Magensäfte sind zudem dick und erleiden eine Verdünnung,

Bei Tisch soll wo möglich nicht oder sehr wenig getrunken werden, damit der reinste Magensaft auch noch den letzten Bissen tränke und durchdringe.

Ist eine längere Zeit nach dem Essen vorüber, verlangt der Speisebrei zu seiner weiteren Verarbeitung vom Magensäfte wieder Flüssiges, mit andern Worten, stellt sich nach 1, 2, 3 Stunden wieder Durst ein, dann kann mäßig auch wieder getrunken werden.

Ich habe mit manchem tüchtigen Arzte gerade über diesen Punkt eingehend gesprochen. Alle theilten vollkommen meine Ansicht und schrieben die Unzahl der Magenleiden zum großen Theil den diesbezüglichen Ueberschreitungen der Menge zu.


Trinke, so oft es dich dürstet, und trinke nie viel!

Die Landleute lieben den Platzregen gar nicht; sie behaupten, daß er unfruchtbar sei und mehr zerstöre als nütze. Dagegen versichern sie, daß jene starken Morgennebel, welche dem Bauern den Hut netzen, daß er triefet, ihre lieben Freunde seien, weil sie die beste Fruchtbarkeit" bringen und befördern.

Der Körper, speziell der Magen bedarf Flüssiges, um seinen Magensaft zuweilen zu verdünnen, zu mehren und so über all' die festen Insassen Meister zu werden. Er meldet sich jedesmal, wenn die Noth an ihn herantritt, bald durch leises Anklopfen im geringen Verlangen nach Wasser, bald durch lautes Pochen und Schreien im heftigen Durste. Da soll man stets auf ihn hören, mag nun das Rufen von einem gesunden oder kranken Magen ausgehen, aber ihm nie mehr geben, als ihm selbst gut ist, kleine Mengen in gehörigen Zwischenräumen; in Erkrankungsfällen zumal, wie in der Fiebergluth, eher öfter, z.B. alle 5—10 Minuten, ein Eßlöffel, als auf einmal ein Glas. Letzteres würde den Durst nicht stillen und zum bestehenden Uebel eine neue Beschwerde hinzufügen.

Ein Beispiel meines Vorgehens möge diesen Abschnitt schließen. Es leidet Jemand an hartem Stuhlgänge, große Hitze quält den Unterleib, heftiger Durst den armen Kranken; er könnte, wie er sagt, 2, 3, 4 Glas Wasser. Glas auf Glas trinken; es ist ihm, als ob es in einen Glühofen geschüttet werde. Ich glaube das; die Wassermasse kommt in den Magen und macht dann, ohne die leidende Stelle irgend zu berühren und günstig zu beeinflussen, eine rasche Wanderung durch den Leib, bis sie vollinhaltlich, ja noch eine ordentliche Menge des unentbehrlichen Magensaftes mit sich schwemmend, ausgeschieden wird. Man gebe dem Kranken statt der vielen Gläser mit Wasser während eines Tages jede halbe Stunde einen Eßlöffel voll. Man wird ganz andere Wirkung verspüren, eine Wirkung, welche das nothwendige Ergebniß einer verkünftigen Behandlung sein muß,

Die kleine Menge Wasser wird schnell von, Magensafte erfaßt und leicht mit demselben vermischt, Die eine jede halbe Stunde erfolgende Nachspeisung gibt reichlichere Säfte, die kühlend. und in normalem Laufe den Körper, die Eingeweide durchströmen und erweichend und lösend binnen kurzer Zeit allen Stockungen und Verhärtungen ein Ende machen. Unzählige haben in dieser Beziehung meinen Rath befolgt, und schnell ward ihnen geholfen.

In der allerneuesten Zeit wurde viel gesprochen und geschrieben von den Wirkungen des Trinkens von heißem Wasser (30 bis 35 R, wie bei Kaffee und Thee), besonders bei chronischen Krankheiten. Ich selbst habe vor Jahren bei manchen Patienten gute Erfolge erzielt, Ehre, wem Ehre gebührt! Wer dem warmen Wasser vor dem kalten, frischen Elemente den Vorzug gibt, wer wollte ihn tadeln oder gar verurtheilen! Das ist Geschmacksache, Ich habe indessen durch Erfahrung gefunden, daß kaltes, lebendiges (nicht getödtetes) Wasser dieselben, wenn nicht bessere Dienste thut. Ich für meine Person ziehe es jedem lauwarmen oder heißen Wasser vor. Jeder wähle, wozu ihn das Verlangen treibt!



Achtung!
Dieses Buch ist ein altes Fachbuch, der Inhalt entspricht nicht dem aktuellen Stand der Medizin. Angegebene Therapien entsprechen höchstens dem Stand der Medizin zum angegebenen Druckdatum. Dasselbe gilt für eine ggf. angegebene Rezeptur für ein Medikament. Diese entsprechen nicht dem heutigen Stand der Medizin und sind unter Umständen sogar körperlich schädigend. Die Zubereitung von Rezepturen und die Anwendung derselben gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Apotheker.
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Rückblick
26. 4. 1829
Geburtsdatum des Chirurgen Christian A.T.B. Billroth, der sich mit den von ihm entwickelten Magenoperationen verewigte (Billroth-I- und -II-Operation). Außerdem entwickelte der operative Techniken zur Kehlkopfentfernung und transvaginalen Uterusentfernung (Hysterektomie).

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