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Meine Wasserkur

Sebastian Kneipp, 49. Auflage 1894

 

Abhärtungsmittel
Die Abhärtung
Von Sebastian Kneipp.

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Barfußgehen



1. Das natürlichste und einfachste Abhärtungs-Mittel besteht im Barfußgehen.

Tiefes kann, entsprechend den verschiedenen Ständen und Lebensaltern, auf die mannigfaltigste Weise geübt werden.

Ganz kleine Kinder, welche noch ganzlich auf die Hilfe Anderer angewiesen und in die Windeln, in's Tragekissen, an's Zimmer gebannt sind, sollen wo möglich nie eine Fußbekleidung tragen. Könnte ich doch dieses allen Eltern, besonders den allzu besorgten Müttern, als Kanon, als feststehende, unumstößliche Regel tief einprägen! Mit Vorurtheilen behaftete Eltern, die sich dazu nie verstehen wollen, mögen sich der kleinen Unbeholfenen erbarmen und zum Mindesten für eine solche Fußbekleidung sorgen, durch welche die frische Luft leicht auf die Haut dringen kann.

Kinder, welche bereits stehen und gehen können, wissen sich schon selbst zu helfen. Ohne alle Menschenrücksichten werfen sie die lästigen, die Füße quälenden Schuhe und Strümpfe von sich und sind ganz glückselig, besonders zur Frühjahrszeit, wenn man sie sich frei herumtummeln läßt. Manchmal blutet eine Zehe- doch das hält sie nicht ab, bald wieder barfuß zu gehen. Die Kinder thun dieses ganz instinktiv, einem gewissen Naturtriebe folgend, den wir Alte auch verspüren würden, wenn die überfeinerte, schablonirende, Schraubstockdienst thuende, alles Natürliche wegdrechselnde Bildung uns nicht vielfach allen gesunden Sinn genommen hätte.

Die Kinder der Armen werden in ihrem Vergnügen selten gestört. Weniger vom Glücke begünstigt sind die Kinder der Vornehmen und Reichen, und sie fühlen wahrlich das Bedürfniß nicht weniger als ihre Kameraden aus armem Stande. Ich sah einst die Knaben eines hohen, angesehenen Beamten. Kaum glaubten sie sich aus der Schußweite der durchdringenden Augen des gestrengen Herrn Papa, da flogen auch schon die feinen Schühchen und die noch feineren rothen, gelben, weißen Strümpfchen über alle Hecken, und fort ging's im Galopp über die saftig grüne Wiese. Die Mama, eine Frau von gesundem Sinne, sah dieses nicht ungern; erblickte aber zufällig der Papa seine Prinzen in solchem ungehörigen Aufzuge, dann gab es lange Strafpredigten und noch längere Standesunterweisungen über Unbildung und Bildung und Standesgefühl und Standesehre. Das ging den Kleinen so tief zu Herzen, daß sie anderen Tags noch munterer barfuß im Grase hüpften. Nochmals sage ich: lasse man wenigstens den noch nicht verbildeten Kindern ihre Freude!

Einsichtige Eltern, welche solches gerne gestatten wollten, aber in der Stadt leben und keinen einsamen Garten oder Nasenplatz besitzen, können den Kleinen das Barfußgehen zu gewissen Zeiten in irgend einem Zimmer, auf irgend einem Gange u.s.w. gestatten, wenn nur die Füße wie Gesicht und Hände zuweilen einmal frei aufathmen, nach Fußeslust frische Luft einsaugen, sich in ihrem Elemente bewegen können.

Erwachsene Leute der ärmeren Klassen, insbesondere auf dem Lande, brauche ich nicht zu ermahnen; dieselben gehen viel barfuß und beneiden nicht den reichsten Städter um seine vornehmen, ausgeschnittenen oder nicht ausgeschnittenen, lackirten oder geschnürten Fußfoltern, die pressenden und die Füße fesselnden Schuhe und Strümpfe. Thörichte Landleute mit städtischen Manieren, die sich schämen, es den Ihrigen gleichzuthun, sind durch ihren Eigendünkel gestraft genug; die altmodischen Conservativen sollen an der guten Tradition treu festhalten. In meiner Jugendzeit ging auf dem Lande Alles barfuß: Kinder und Erwachsene, Vater und Mutter, Bruder und Schwester. In die Schule, zur Kirche waren die Wege stundenweit; die Eltern gaben uns ein Stück Brod und einige Aepfel zur Reisezehrung, so auch Schuhe und Strümpfe als Fußbekleidung. Doch diese hingen wir bis zum Eintritt in die Schule oder in die Kirche über die Arme oder über die Achsel, nicht allein zur Sommers-, selbst in der kälteren Jahreszeit. Kaum machte im beginnenden Frühling auf der Höbe meiner Heimath der Schnee Miene, sich zurückzuziehen, da traten unsere bloßen Füße schon ihre Spuren in den mit seinem Wasser getränkten Boden, und wir fühlten uns froh, heiter und gesund dabei.

Erwachsene in den Städten , gar solche, welche besseren, ja den vornehmen Ständen angehören, können dieser Uebung sich nicht unterziehen, das ist klar. Wenn sie in ihrem Vorurtheile bereits so weit gekommen sind, daß sie meinen, sie könnten, wenn ihre zarten Füße beim Aus- oder Ankleiden nur einen Augenblick auf dem bloßen Boden des Salons, nicht auf warmen, weichen Teppichen stehen, Rheumatismus, Katarrh, Halsleiden oder Aehnliches sich zuziehen, so lasse ich sie vollkommen ungestört. Wenn aber Manche doch etwas thun und sich abhärten wollten, was hindert sie, Abends unmittelbar vor dem Schlafengehen oder in der Frühe beim Aufstehen 10 Minuten, 1/4 Stunde, 1/3 Stunde lang eine derartige Promenade zu machen? Dieselbe könnte die ersten Male, damit der plötzliche Beginn nicht zu stark empfunden wird, in den Strümpfen, später mit bloßen Füßen und noch später barfüßig also geschehen, daß vor dem Zimmer-Spaziergange die Füße bis über die Knöchel einige Augenblicke in kaltes Wasser getaucht werden.

Bei guter Eintheilung, bei gutem Willen, bei wahrem Streben nach Erhaltung seiner Gesundheit wird ein Jeder, selbst der Vornehmste, selbst der in seinem Berufe Angestrengteste noch so viel Zeit gewinnen, um sich selbst diese Wohlthat zu spenden.

Ein mir sehr gut bekannter Priester ging jedes Jahr auf mehrere Tage zum Besuche eines guten Freundes, welcher einen größeren Garten besaß. Der Morgenspaziergang galt stets diesem Garten, dessen durch Thau genäßtes Gras so lange die bloßen Füße labte und den Körper erquickte, als der Geist mit dem Breviergebet beschäftigt war. Gar oft hielt mir dieser Herr Lobreden auf die vortrefflichen Wirkungen des Barfußgehens.

Eine Reihe Namen von Personen der höheren und höchsten Stände stünde mir zu Gebote, die den wohlmeinenden Rathgeber nicht verachteten und zu guter Jahreszeit bei Morgengängen im einsamen Walde oder auf abgelegener Wiese durch Barfußgehen sich abzuhärten suchten.

Einer aus dieser verhältnißmäßig immer noch sehr kleinen Zahl gestand mir, er habe im Jahre selten eine Woche erlebt ohne einen wenn auch nur kleinen Katarrh. Diese überaus einfache Uebung habe ihn für immer von dieser Empfindsamkeit und Empfänglichkeit befreit.

Den Müttern widmeich an dieser Stelle noch ein besonderes Wort. Es kann kurz sein; denn an anderer Stelle habe ich versprochen, ihnen, wenn Gott mir Leben und Gesundheit schenkt, später einmal einige praktische Winke für eine gute, hauptsächlich den Leib betreffende Erziehung zu geben. Die Mütter sind in erster Linie dazu berufen, für die Heranbildung eines stärkeren, widerstandsfähigeren Geschlechtes zu sorgen, die wuchernde, so arge Lücken in die menschliche Gesellschaft reißende Verweichlichung, Entkräftung, Blutarmuth, Nervosität, und wie all die Lebenssauger und Lebensabkürzer heißen, beseitigen zu helfen. Das geschieht durch Abhärtung, durch weise Abhärtung des Kindes vom zartesten Alter an. Luft, Nahrung, Kleidung sind Bedürfnisse, welche der Säugling ebenso nothwendig braucht als der Greis. Sie bilden zugleich das Gebiet der Abhärtung. Je reiner die Lust ist, welche das Kleine einathmet, desto besser das Blut. Um dieses schwache Geschöpftem recht schnell an den Aufenthalt in frischer Luft zu gewöhnen, thun diejenigen Mütter gut, welche nach den täglichen warmen Bädern das Kleine 2—3 Sekunden in kälteres, wie von der Sonne erwärmtes Wasser tauchen oder es rasch kalt abwaschen. Das warme Wasser allein macht schlaff und verweichlicht, die abschließende kalte Waschung stärkt, härtet ab und sichert eine gesunde Körperentwicklung. Die anfänglichen Zeichen einer weinerlichen Empfindsamkeit werden bei der dritten oder vierten Anwendung von selbst ausbleiben. Diese Abhärtung stählt die noch ganz kleinen Kinder gegen die so häufigen Erkältungen und deren Folgen und erspart den Müttern, welche diesen Uebelständen vorbeugen wollen, die jeden denkenden Menschen wahrhaft entsetzenden Einmummungen und Einhüllungen in Wolle und andere schwere, jeden Luftzutritt hindernde Stoffe. In diesem Stücke wird furchtbar gegen die kleinen Gesundheiten gesündiget. Die zarten Körperchen stecken in förmlichen verbrennenden Wollöfen: der kleine Leib keucht unter der Last der Binden und Decken, das Köpfchen ist eingepuppt, daß ihm Hören und Sehen vergehen müssen, der vor Allem abzuhärtende Hals trägt außer den allgemeinen noch besondere Wärmemittel, die ihn gegen die äußere Luft vollends abschließen. Schon wenn der oder die Kleine auf dem Arm des Kindsmädchens ruht, um ausgetragen oder ausgefahren zu werden, sieht die verzärtelnde Mama nochmals nach, ob ja jedes Winkelchen und jede Ecke sorglichst verschlossen sei. Wen darf es bei sothanen Umständen, bei diesem gänzlichen Mangel der leisesten Spur von rationellem Abhärtungssinne wundern, wenn Diphtheritis, Halsbräune u.s.w. jährlich eine unzählbare Schaar der kleinen, ich möchte sagen jedem Windhauche erliegenden Wesen hinwegraffen? wenn viele Familien von Schwächlingen gleichsam wimmeln? wenn die Mütter über hektische, krampfhafte und andere, früher fast unbekannte Zustände, insbesonders bei den Mädchen, täglich Klage führen? Und wer erst vermöchte die geistigen Gebrechen zu zählen, diese tauben Blüthen und faulen Früchte eines Körpers, welcher vor der normalen Entwicklung und Kräftigung schon sein langsames Siechthum beginnt? Mens sana in corpore sano. Eine gesunde Seele wohnt nur in einem gesunden Körper. Eine Hauptvorbedingung der Entwicklung einer ausdauernden Gesundheit bildet die frühzeitigste Abhärtung. Daß alle Mütter ihre diesbezügliche Aufgabe und Verantwortung früh genug und tief erfaßten und keine Gelegenheit versäumten, aus guten Quellen sich guten Rath zu holen!



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Achtung!
Dieses Buch ist ein altes Fachbuch, der Inhalt entspricht nicht dem aktuellen Stand der Medizin. Angegebene Therapien entsprechen höchstens dem Stand der Medizin zum angegebenen Druckdatum. Dasselbe gilt für eine ggf. angegebene Rezeptur für ein Medikament. Diese entsprechen nicht dem heutigen Stand der Medizin und sind unter Umständen sogar körperlich schädigend. Die Zubereitung von Rezepturen und die Anwendung derselben gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Apotheker.
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