Willkommen bei Med-serv.de
 
  Home  ·  Med. Abkürzungen  ·  Endoatlas  ·  Sonoatlas  ·  Alte Bücher  ·  Kontakt 20. April 2024 
  Sie befinden sich: Home > Bücher > Lehrbuch der Gynäkologie > Allgemeine Diagnostik > Symptomatologie > Sterilität
 
Medizinische Bücher
Alte medizinische Bücher im Internet

Lehrbuch der Gynäkologie

Otto Küstner, 4.Auflage 1910

 

Optionen

Schmale Textspalte


VII. ABSCHNITT.
Allgemeine Diagnostik.

Kapitel XXVI.
Allgemeine Symptomatologie.
Von Otto Küstner.

Seite: 4/6Zurück (Fieber)[ Menstruation | Dysmenorrhoe | Fieber | Sterilität | Umgebung | Hysterie ]Weiter (Umgebung)


Sterilität


Ein außerordentlich wichtiges, häufiges, lokales Symptom einer Genitalerkrankung ist die Sterilität.

Es ist praktisch, primäre und sekundäre Sterilität zu unterscheiden, auch ist es praktisch und im Interesse der Verständigung zweckmäßig, bestimmte Zeitläufte zu fixieren, nach welchen man von steriler Ehe spricht. E. Fränkel nennt eine Ehe primär steril, wenn 5 Jahre lang keine Konzeption stattgefunden hat, sekundär steril, wenn nach dem ersten oder höchstens zweiten Kinde diese Zeit ohne Konzeption verstrichen ist. Diese Nomenklatur beansprucht natürlich keine naturwissenschaftliche, sondern nur konventionelle, aber ärztlich durchaus praktische Bedeutung.

Früher sah man fast jede Sterilität als Frauenkrankheit an und behandelte bei jeder sterilen Ehe die Frau. Und selbst als Sims 1868 empfahl, bei jeder Sterilität die Geschlechtsorgane des Mannes ebenso genau zu untersuchen, wie die der Frau, nahm er noch lange Zeit einen isolierten Standpunkt ein. Heutzutage ist dieses Postulat zur Selbstverständlichkeit geworden.

Die Impotenz des Mannes, d. h. die Unfähigkeit, ein Weib zu befruchten, beruht entweder in der Unfähigkeit, den Beischlaf auszuüben (Impotentia coeundi) oder in der Untauglichkeit des Spermas (Impotentia generandi). Die Ursachen der Impotentia coeundi beruhen in Mißstaltungen und Tumorbildung der männlichen Geschlechtsorgane, in Erkrankung der nervösen Leitungsbahnen (Hirnerkrankung, Tabes, Myelitis), Erkrankung peripherer Nerven, Abusus von Giften, wie Alkohol und Morphium, endlich in Neurasthenie und temporärer psychischer Hemmung. Die Impotentia generandi beruht auf Aspermie, Azoospermie und Nekrospermie.

Die Azoospermie besteht physiologisch vor der Pubertät und im hohen Alter; in letzterem Punkte gibt es bedeutende individuelle Differenzen. Im zeugungsfähigen Alter ist sie eine Folge verschiedener Erkrankungen beider Hoden oder der samenleitenden Apparate; Tumorbildung, Carcinom, Sarkom, Atrophie infolge von Kryptorchismus, von hochgradiger Hydrocele. In den meisten Fällen aber ist sie das Resultat der gonorrhoischen Infektion. Die gonorrhoische Epididymitis und Funiculitis führt zur Obliteration des Vas deferens und diese sehr bald zur Atrophie des Hodens. Fürbringer hält diese Atrophie für eine Inaktivitätsatrophie. Kehrer sah Hodenatrophie sehr schnell nach experimenteller Unterbindung des Samenstranges zustande kommen. So führt die doppelseitige Epididymitis mit großer Sicherheit zur dauernden Azoospermie; nach Fürbringer sah Ligeois in 83 Fällen von doppelseitiger Nebenhodenentzündung 75mal dauernde Azoospermie auftreten. Ist die doppelseitige Hodenatrophie erst fortgeschritten, so gesellt sich zur Azoospermie sehr bald Impotentia coeundi. Vorübergehende Azoospermie wird ebenfalls infolge der gonorrhoischen Infektion bei Strikturbildung und Verlegung des Ausführungsganges der Samenblasen beobachtet; mitunter nach sexuellen Exzessen. Die genaue Untersuchung der Genitalien beider Ehegatten bei sterilen Ehen läßt außerordentlich häufig den Mann als schuldigen Teil erkennen. So fand z. B. Balin bei 200 sterilen Ehen in 36 Proz. Azoospermie, in 19 Proz. Oligonekrospermie; 63 Proz. der azoospermischen Männer waren vor dem Eintritt in die Ehe gonorrhoisch infiziert gewesen. E. Fbänkel findet in 1/3 der Fälle von Ehesterilität die Ursache beim Manne.

Endlich kann die Impotentia generandi in mechanischen Störungen der Entleerung normalen Spermas beruhen, bei abnormer Mündung der Harnröhre (Hypo-spadie), gonorrhoischer Striktur derselben, Obliteration oder Deviation der Ductus ejaculatorii als Folge von Narbenbildung nach Urethritis, Hypertrophie und Abscedierung der Prostata.

Mit der Klage über Sterilität wendet sich auf Grund der im Publikum verbreiteten Anschauungen meist die Frau zuerst an den Arzt, nicht der Mann. Sonach ist der Gynäkologe meist der zuerst konsultierte Sachverständige. Trotzdem darf sieh dieser der Aufgabe nicht entziehen, in allen Fällen von Sterilität der Ehe auch den Mann auf seine genitale Funktionstüchtigkeit hin zu untersuchen.

Die mikroskopische Untersuchung des Spermas ist leicht: man läßt eine Kohabitation mit Kondom ausüben und läßt sich diesen bringen oder schicken.

Liegt die Ursache der Sterilität in Abnormitäten des weiblichen Geschlechtsapparates, so finden wir diese entweder in den eibereitenden Apparaten, in der Unfähigkeit der Keimbildung oder in Veränderungen des übrigen Genitaltraktus, welche die Kopulation zwischen Spermazelle und Eizelle nicht zustande kommen lassen. Dazu kommt noch als drittes Moment die Unfähigkeit des Uterus, das Ei zu „bebrüten", d. h. die Gravidität zum physiologischen Ende gelangen zu lassen. Diesen Defekt bezeichnet man korrekter und auch mehr im Sinne des herkömmlichen Sprachgebrauches mit dem Ausdruck „habituelles Abortieren". Häufig sind Zustände beider Art miteinander kombiniert.

Die Unmöglichkeit, Eier zu bereiten, finden wir physiologisch vor der Pubertät und nach dem Erlöschen der Ovulation, was etwa kontemporär mit dem Versiegen des Monatsflusses ist. Von den pathologischen Zuständen, welche die Eibereitung ausschließen, sind von hoher Bedeutung Entwickelungsanomalien, bei welchen die Ovarien gar nicht, oder nur unvollkommen ausgebildet, oder bei welchen sie auf infantiler Stufe stehen geblieben sind; diese Zustände sind nicht selten mit Aplasien anderer Teile des Genitaltraktus, des Uterus kombiniert; sie sind, worin ich Bumm recht gebe, die häufigste Ursache (2/3 der Fälle) der weiblichen Sterilität.

Geschwulstbildung ebenso wie akute und chronische Entzündung beider Ovarien, besonders des corticalen Teiles, hindern die Keimbereitung. Unter den Entzündungen spielt die gonorrhoische beim Weibe eine ähnlich bedeutungsvolle Rolle, wie beim Manne.

Auch der eileitende Apparat erkrankt beim Weibe infolge der Gonokokken-Infektion häufig. Die gonorrhoische Salpingitis allein ist schon Konzeptionshindernis; ganz abgesehen davon, daß die konsekutive Perisalpingitis und Perimetritis ihrerseits ebenfalls den Mechanismus der Eileitung schwer stören können. Verschluß des Ostium fimbriatum tubae ist außerordentlich häufig das Endresultat der gonorrhoischen Salpingitis.

Es ist Nöggeraths großes Verdienst, die gonorrhoische Infektion in ihrer bedeutungsvollen Kausalität zur weiblichen Sterilität charakterisiert zu haben, wenn er auch in der anatomischen Deutung des Zustandes irrte, indem er die Perimetritis als das eigentliche kausale Moment ansprach. Alle neueren Untersucher (Vedeler, Glünder, Graefe u. a.), die tausendfachen Beobachtungen aller Operateure auf dem Gebiete der modernen Abdominalgynäkologie bestätigen das von Nöggerath gefundene Kausalverhältnis.

Diejenigen Erkrankungen, welche der Begegnung zwischen Sperma und Ovulum absolutes Hindernis bieten, sind außer entzündlichem Verschluß der abdominalen Tubenostien und doppelseitiger Pyosalpinx, alle Formen von Atresie, erworbener und kongenitaler.

Erschwert wird die Begegnung zwischen Sperma und Ovulum durch die verschiedensten Erkrankungen des Genitalapparates: Durch leichtere Entzündungen des Uterus und der Tuben, Tumorbildung des Uterus und der Vagina, Myome, Sarkome, Carcinome, von den Lageveränderungen durch den Prolaps und die Inversion, in geringerem Grade durch die Retroversion, endlich durch Anomalien des Beckenbodens, welche sofortigen vollständigen Spermaabfluß post coitum zustande kommen lassen.

Formanomalien der Portio und besonders des äußeren Muttermundes sind häufig Konzeptionserschwernis; besonders ist die durch lange dauernde Katarrhe erzeugte Sklerose der Portio dem Eindringen und Wandern der Spermatozoen hinderlich. Seltener ist die Ursache der Sterilität in einer Verengung der Cervix zu suchen. Ist doch eine Cervix, welche nur die 2 mm-Sonde passieren läßt, schon sehr eng, und um wie viele Male weiter ist sie als die normale Tube. Können die Spermatozoen die Tube passieren, dann kann ihnen eine enge Cervix kein Hindernis sein.

Und doch bietet eine in gewissen Grenzen weite Cervix günstigere Chancen für das Zustandekommen einer Konzeption, als eine enge. Frauen, welche geboren haben, konzipieren schneller, als Virgines. Sicher hat schon manche Discision der Cervix einen heilenden Einfluß auf jahrelang bestehende Sterilität geübt. In manchen Fällen vielleicht dadurch, daß die Erleichterung des Sekretabflusses Ausheilung von Cervixkatarrh zustande kommen ließ.

Weiter geben narbige und kongenitale Stenosen der Vagina und des Hymen Konzeptionshindernisse ab.

Recht häufig ist die Endometritis Ursache der Sterilität.

Daß die Spermatozoen im Eiter sehr schnell ihre Lebensfähigkeit verlieren, ist unter anderen von Levy unter dem Mikroskop festgestellt. Seeligmann fand die Spermatozoen in normalem und pathologischem Scheidensekret bald unbeweglich werden, wogegen sie in normalem Cervixsekret ihre Beweglichkeit lange behielten.

Sehr wahrscheinlich ist, daß das konzeptionshindernde Moment bei der Retroflexion häufig der bei dieser Affektion fast nie fehlende Uteruskatarrh ist.

So sieht man nach Ausschabungen des Uterus häufig Konzeption eintreten, wo sie vorher lange Zeit nicht zustande gekommen war. Durch Peters' Untersuchungen wissen wir, daß sieh das Ei nicht auf der Uterusschleimhaut, sondern in dieselbe hinein bettet. Ich halte für möglich, daß in solchem Falle die Wundmachung der Uterusinnenfläche durch die Ausschabung die Eibettung begünstigt, während die endometritische Schleimhauterkrankung sie nicht zustande kommen ließ. Hier besteht also die Sterilitätsheilung darin, daß ein befruchtetes auf die Uterusschleimhaut gelangendes Ei verhindert wird, auf dieser zugrunde zu gehen.

Dyspareunie (Mangel des Geschlechtstriebes oder des Geschlechtsgenusses) steht außerhalb direkten ätiologischen Zusammenhanges mit der Sterilität. Wohl aber begleitet sie häufig den Infantilismus, ist ein Symptom desselben und wird deshalb nicht selten bei sterilen Frauen angetroffen.

Eine Reihe von Erkrankungen erleiden erfahrungsgemäß durch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett Verschlimmerungen, gelegentlich lebensbedrohlichen Charakters. Das gilt in erster Linie von der Phthise, den inkompensierten Herzfehlern, der Nephritis. Auch die Pyelitis, die Appendicitis können während der Schwangerschaft schwere Exazerbationen erfahren. Ein umfänglich vaginal oder ventral fixierter Uterus kann in vorgerücktem Stadium der Gravidität zu bersten drohen.

Besteht unter solchen Verhältnissen nicht aus irgendwelcher Ursache Sterilität, so erwächst die Aufgabe, sie zu erzwingen. Unverheiratete mögen den Geschlechtsverkehr vermeiden. Bei Verheirateten ist es nicht durchzuführen. Wenn dann die profanen, nicht weiter zu beschreibenden Methoden, die Konzeption zu verhindern, nicht ausreichen, oder völlige Sicherheit gewonnen werden soll, dann kann die operative Erzwingung der Sterilität, die „Sterilisation" indiziert sein.

Da die Entfernung der Keimdrüsen bei Frauen im zeugungsfähigen Alter schwere, oft unerträgliche Ausfallserscheinungen macht, die Entfernung des Uterus wegen Aufhebung der Menstruation nicht unbedenklich ist, so muß der eileitende Apparat in Angriff genommen und die Möglichkeit, daß Eier in den Uterus gelangen und mit Sperma in Berührung treten können, ausgeschaltet werden. Unterbindung und Durchschneidung der Tuben genügt nicht. Es ist experimentell (L. Fränkel) und durch zahlreiche klinische Beobachtungen nachgewiesen, daß trotzdem Gravidität zustande kommen kann. Verläßlich sind die Methoden, welche sich zur Aufgabe machen, die Tube plastisch zu verschließen.

Man macht die Laparotomie, reseziert die Tuben und übernäht die Stümpfe mit Peritoneum. Auch kann man sich begnügen, die Tuben vom Fimbrienende aus ein Stück von ihrer Mesosalpinx abzutrennen und das abgetrennte Stück in das parametrane Gewebe, nachdem man die peritonealen Ligamentplatten stumpf auseinander gedrängt hat, einzupflanzen, einzutaschen.

Von der Kolpotomie aus werden diese Operationen zweckmäßigerweise nicht vorgenommen, da das plastische Resultat und die Sicherheit zu wünschen übrig lassen können.




Seite: 4/6Zurück (Fieber)[ Menstruation | Dysmenorrhoe | Fieber | Sterilität | Umgebung | Hysterie ]Weiter (Umgebung)


Achtung!
Dieses Buch ist ein altes Fachbuch, der Inhalt entspricht nicht dem aktuellen Stand der Medizin. Angegebene Therapien entsprechen höchstens dem Stand der Medizin zum angegebenen Druckdatum. Dasselbe gilt für eine ggf. angegebene Rezeptur für ein Medikament. Diese entsprechen nicht dem heutigen Stand der Medizin und sind unter Umständen sogar körperlich schädigend. Die Zubereitung von Rezepturen und die Anwendung derselben gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Apotheker.
Hauptmenu
· Home
· Med. Abkürzungen
· Endoskopieatlas
· SonoAtlas
· Alte Bücher

Alte Bücher
· Übersicht
· Gynäkologie
· Andere:
· Wasserkur
· Hautkrankheiten

· Hilfe/FAQ

Rückblick
20. 4. 1902
Das Ehepaar Pierre (gest. 1906) und Marie (1867-1934) Curie isolieren das Element Radium 1903 erhalten sie gemeinsam mit Henri Becquerel (1852-1908) den Nobelpreis der Physik für ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Radioaktivität.

Werbung


 

Alle Inhalte und Bilder, soweit nicht anders gekennzeichnet © 2002-2017 Stefan Südfeld. Sitemap.
Unsere anderen Seiten: Psychotherapie Herzogenrath