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Lehrbuch der Gynäkologie

Otto Küstner, 4.Auflage 1910

 

I. ABSCHNITT.
Anatomie, Entwickelung und Störungen der Entwickelung der weiblichen Genitalien.

Kapitel III.
Die Entwicklungsstörungen des weiblichen Urogenitalsystems.
Von Otto Küstner.

Seite: 5/5Zurück (Hohlorgane)[ Mißbildungen | paarige Anlagen | Scheide allein | Hohlorgane | Blase, Urethra, Äußeres ]


II. Die Mißbildungen der Blase, Urethra, der äußeren Genitalien und des Rectums.


Die Mißbildungen der weiblichen Blase und Harnröhre sind Spaltbildungen, d.h. die vordere Wand dieser Organe fehlt ganz oder teilweise, die Ränder des Defektes sind mit den korrespondierenden Rändern der Bauchdecken verwachsen (Epispadie). Bei den höchsten Graden dieser Mißbildung ist alles, was von der Allantois im Foetusleibe lag, gespalten, Urachus resp. Ligamentum vesicae meclium, Blase und Urethra. Dann existiert kein Nabel; die Symphyse ist ebenfalls gespalten, der gesamte Genitaltraktus besteht noch aus seinen ursprünglichen getrennten Hälften vom Fimbrienende der Tuben an bis zum Introitus vaginae (Uterus et vagina didelphys). Die hintere Wand der gespaltenen Harnausscheidungsorgane liegt als hochrote, ovale oder runde Schleimhautfläche zu Tage. Sie prominiert meist stark vor das Integument des Bauches in Gestalt von mehreren Buckeln; diese Vorwölbungen werden durch unmittelbar hinter dem defektuösen Organ liegende Dünndarmschlingen gebildet. Auf der Höhe zweier dieser Buckel findet man die beiden Oeffnungen der Ureteren; man macht sie sich sichtbar, indem man den durch den Rest der Blase gebildeten Tumor an der Basis komprimiert und sä Urin zum Ausspritzen kommen läßt.

Bei geringeren Graden ist nur ein Teil der vorderen Blasenwand defekt, oder nur der Urachus, oder der Urachus (Lig. vesico-umbilicale) mündet nur als Harnfistel in den Nabel (dieser Zustand ist nicht selten bei angeborenem Verschluß der weiblichen Harnröhre).

Diese Art von Spaltbildungen entsteht wahrscheinlich durch Zug des Dotterstranges. Dadurch wird der intrafötale Teil der Allantois indirekt nach vorn gedrängt, die Bauchplatten können sich in der unteren Bauchhälfte nicht schließen; somit entbehrt die Blase des Schutzes der Bauchwandung und platzt, sobald sie sich stark mit Urin füllt (AHLFELD).

Diese Erklärung macht es zugleich verständlich, warum bei den höchsten Graden dieser Mißbildungen in die defekte Blase hinein gewöhnlich ein, mitunter zwei widernatürliche After münden. Auch das entsprechende Stück vorderer Darmwand geht durch den Zug am Ductus umbilicalis verloren. Handelt es sich nur um einen widernatürlichen After, so ist sein Sitz die Ileocökalpartie, ist ein zweiter da, so die Flexura sigmoidea.

Die Komplikation der höchsten Grade dieser Bildungshemmung mit Avidernatürlichem After und Didelphysbildung finden wir nur bei ganz jungen Kindern; sie sterben bald. Unkompliziert, schließen selbst höchste Grade der Bauchblasenspalte ein extrauterines Leben nicht aus. Sie sind für die Kranken ein schweres Schicksal. Der fortwährende unwillkürliche Abfluß der Sekrete, die unvermeidlichen Ekzeme der Umgebung, die statischen Unbequemlichkeiten, welche die Folgen des Symphysenspaltes, die Folgen der konsekutiven Hyperlordose der Lendenwirbelsäule sind, lassen derartige Individuen als äußerst bejammernswerte Geschöpfe erscheinen. Urinale sind in brauchbarer Form konstruiert, um den Harn aufzufangen. Die plastische Operation leistet diesen höchsten Graden gegenüber,wenigstens falls sie nicht schon am Kinde zur Behandlung kommen, nicht allzuviel; es kann nur der Defekt durch Haut von der Umgebung gedeckt werden.


Fig.43. Ausgedehnte Bauchblasenspalte. Ektopie des Blasenrestes, in ihn münden 2 widernatürliche After, in deren einen das Ileum als langer, wurstförmiger Körper invaginiert ist. Man sieht noch die Nates, den Nabelschnurstumpf, eine breite Nabelschnurhernie umhüllend, mit Unterbindungsband. Das Kind F. N., geb. 28. März 1895, 2100 g schwer, lebte 9 Tage. Bei der Sektion fand sich der eine Anus praeternaturalis in das Ileum, der andere in ein rectumähnliches, blindes Darmstück mündend. Symphyse weit klaffend, von den äußeren Genitalien keine Andeutung, ebenso fehlt das Orificium ani. Unterhalb ,der rechten Niere ein Hoden, links analog gelegen ein ähnlicher, viel kleinerer Körper. (KÜSTNER-NEISSER, Stereoskopischer Atlas.)

Falls die Kinder in jungen Jahren zur Behandlung kommen, ist der Versuch, nach TRENDELENBURGS Vorschlag den Symphysenspalt operativ zu schließen, gerechtfertigt; das erweist sich für den später anzustrebenden Verschluß des Blasendefektes von Vorteil.

Geringere Grade der Bauchblasenspalte bezeichnet man, je nachdem sie sich näher dem Nabel oder näher der Urethra finden, als Fissura vesicalis superior oder inferior. Dabei kann die Symphyse geschlossen und die Urethra vorhanden sein. Diese mündet dann ventralwärts von der gespaltenen Clitoris. Fehlt viel von der vorderen Urethralwand, so prolabiert die Blase durch die klaffende Urethra. Den geringsten Grad der Epispadie stellt der Zustand dar, bei welchem die Clitoris gespalten ist, die ausgebildete Urethra aber vor ihr mündet.

Auch für die Entstehung der geringergradigen Fälle kann die Erklärung Anwendung finden; vielleicht können aber auch andere Momente als der Zug des Dotterstranges die Hervorspülung eines Teiles der Blase oder des Urachus zwischen die noch nicht geschlossenen Bauchplatten und ein Platzen desselben bedingen.

Der plastische operative Verschluß ist um so einfacher, je geringer der Defekt ist.


Fig.44. Bauchblasenspalt, Symphysenspalt, Spaltung der äußeren Genitalien. Der große, rote, 5 und 6 cm Durchmesser haltende Tumor stellt die hintere Blasenwand dar; auf der Höhe die Ureterenmündungen sichtbar. In der Umgebung ist die Epidermis von dem benetzenden Urin narbig, schwielig. Unten schließen sich an das Blasenektropium die Schamgebilde an. Urethra fehlt. Die großen Labien liegen weit voneinander getrennt als behaarte Wülste neben den entsprechenden Schenkelbeugen. Nach innen von ihnen, ebenfalls weit voneinander getrennt, Y-förmig divergierend, 2 deutliche Labia minora, jedes an seinem vorderen Ende eine Clitorishälfte bergend. Zwischen ihnen, von blaßroter Schleimhaut bekleidet, das Vestibulum mit einem 2 Oeffnungen tragenden Hymen. Der Damm ist 4 cm lang. Von dem Hymen bifenestratus aus gelangt man in eine einfache Vagina von 8 cm Länge. Vom Ilectum aus tastet man einen etwa normal großen, retroverticrt liegenden Uterus, welcher am Fundus eine deut­liche Einbiegung trägt (Uterus bifundalis). Das linke Ovarium etwa normal groß, das rechte erheblich kleiner. In der "Symphyse" klaffen die beiden Schambeine 6 cm. Frl. Z. Gh., 18 Jahre alt, menstruiert seit ihrem 16. Lebensjahre, doch nicht regelmäßig. Am 15. März 1891 werden beiderseits zwei umfängliche Lappen zunächst nur unterminiert, und zwar unter der Fascia superficialis. Am 3. April werden beide oben abgeschnitten, um l R gedreht und über dem Defekt durch Nähte vereinigt. Heilung. So ist wenigstens die leicht verwundbare Blasenschleimhaut gedeckt und zunächst das Tragen eines Urinreservoirs erleichtert. Dem Vernehmen nach ist Pat. mit ihrem Zustatnd zufrieden und wünscht nicht eine Vervollständigung des Resultates auf plastischem Wege.

Dieselbe Beobachtung, dieselbe Operation und derselbe Erfolg um die gleiche Zeit bei der 21 Jahre alten E. S.

Die Monstrositäten der äußeren Genitalien sind entweder fehlerhafte Bildungen des Sinus urogenitalis und seiner Beziehungen zu Blase, Scheide, Mastdarm, oder Bildungsverirrungen in der Richtung des männlichen Typus.
Weibliche Hypospadie nennen wir das Persistieren des Sinus urogenitalis in ursprünglicher oder mehr weniger veränderter Form. Sie entsteht dadurch, daß die Bildung des Septum urethro-vaginale nicht zustande kommt, und das ist häufig der Fall, wenn die Scheidenanlage in ihrem Tieferwachsen behindert wird. Im letzteren Fall ist sie eine Teilerscheinung von meist hochgradiger Entwickelungsstörung der gesamten inneren Genitalien. Dabei mündet die Blase mit oder ohne Andeutung einer Urethra weiter oben in den Canalis urogenitalis, welcher als kurze Vagina imponiert. Auch die Clitoris weist bei dieser Mißbildung den Typus des ursprünglichen Geschlechtshöckers auf, indem sie hinten gespalten erscheint. Da sie dann nicht selten hypertrophisch, andererseits bei männlicher Hypospadie der Penis häufig verkümmert ist, so kann dadurch die Geschlechtsdiagnose erschwert sein.


Fig. 45. Männlicher Hypospadaeus, S.W. Maramae im weiblichen Typus entwickelt. Serotum mit Hoden. Geschlechtsglied verkümmert, auf dem Bilde nicht zu sehen. Klin. Vorstellung 28. Mai 1901.

Meist unter die Rubrik der Hypospadie fallen diejenigen Mißbildungen, welche man früher als Hermaphroditen bezeichnete, jetzt korrekter Pseudohermaphroditen nennt.

Im mythologischen und zoologischen Sinne sind Hermaphroditen zwei-geschlechtige Individuen, d. h. Individuen mit männlichem und weiblichem Keimapparat. Das Ausschlaggebende ist also die Keimdrüse. Im niederen Tierreicn begegnen wir dieser Bildung unter dem Normalen, unter einigen Säugerarten gelegentlich (z.B. den Ruminantien) als Mißbildungen. Für den Menschen ist echte Zwitterbildung bis zum heutigen Tage noch nicht erwiesen.

Man unterschied auf Grund der älteren, aber nur makroskopischen Beobachtungen zwischen Hermaphroditismus bilateralis, unilateralis und lateralis. Bei ersterem soll auf beiden Seiten je ein Hode und ein Eierstock, beim H. unilateralis nur auf einer Hode und Eierstock und beim H. lateralis auf einer Seite Hode, auf der anderen Eierstock sich finden. Der einzige "beweisende" Fall der ersten Kategorie von HEPPNER ist auf Grund genauerer Untersuchung von SLAVIANSKY zu streichen. Für die zweite Kategorie hat es nie einen Beweisfall gegeben, und auch für die dritte Kategorie existiert, streng genommen, keiner, obwohl eine respektable Anzahl beschrieben ist, in welcher der Beweis angeblich erbracht ist. Derselbe ist nie durch makroskopische Demonstration oder gynäkologische Tastung zu liefern, sondern einzig und allein durch das Mikroskop. Dagegen existieren 5 Fälle (v. SALEN, GARRE, PICK-UNGER, PICK-LANDAU, SCHICKELE), bei denen männliches und weibliches Keimdrüsengewebe in einer Geschlechtsdrüse vereinigt waren. (O
votestis, Zwitterdrüse.) Doch hatte auch in diesen Fällen nur die eine der differenten Geschlechtsdrüsenanlagen ihre völlige Ausbildung erreicht. Also auch diese Individuen waren eingeschlechtig. Normal findet sich dieser Zustand im Ovarium des Maulwurfs.


Fig.46. Männliche Hypospadie.

Genitalien des S.W., in Fig. 45 abgebildet. Scrotum mit Hoden. Glans des sehr kleinen Geschlechtsgliedes freiliegend, nicht perforiert. Urethra mündet unterhalb der Glans, deutlich sichtbar. Aus ihr entleert sich Urin und Sperma.

Diejenigen Mißbildungen, welche an den äußeren Genitalien teils weiblichen, teils männlichen Typus aufweisen, bei welchen aber, um es nochmals zu betonen, das Integrierende, die Geschlechtsdrüsen, ausschließlich im Typus des einen Geschlechts gebildet sind, die Pseudo-Hermaphroditen (Scheinzwitter), sind Individuen, bei welchen das Geschlechtsglied kleiner als ein Penis, größer als eine Clitoris ist, bei welchen sich ein deutlicherer Rest des Kanales findet, der durch Zusammenfließen der MÜLLERschen Gänge entsteht, als der Sinus prostaticus ist, ein Rest, welcher ein kurzes Divertikel des als Harnröhre zu sondierenden Organes darstellt, und bei welchen ein- oder beiderseitig der Descensus der Keimdrüse unterblieben ist. Oft findet sich Hypospadie. Oft haben die Brüste weiblichen Typus. Diese Individuen sind meist hodentragend, also mißbildete Männer, männliche Hypospadaei, und laufen oft als Weiber, sind als solche benamt, nicht selten als solche verheiratet. Man kann für sie als Gesetz gelten lassen: je verkümmerter die Hoden sind, um so mehr nähern sich die übrigen Geschlechtscharaktere dem weiblichen Typus.

Während die häufigsten Formen der männlichen Hypospadie diejenigen sind, bei welchen nur die Harnröhrenmündung abnorm, nämlich peniskrotal liegt, der Penis nicht perforiert ist, außerdem vielleicht noch doppelseitiger oder einseitiger Kryptorchismus besteht, so gibt es auch interessantere Fälle die Menge. Die interessantesten sind die, welche auch zweifellose Männer sind, weil bei ihnen Sperma nachzuweisen ist, und weil sie als Männer Kinder erzeugt haben, welche aber außerdem bis zu hoher Vollkommenheit entwickelte MÜLLERsche Gänge haben (Uterus, Tuben, eine Art Scheide) und welche an periodischen Blutungen leiden. So lebte Homann und kohabitierte zuerst als Katharine Homann, als Weib, später mit mehr Genuß und mit Erfolg, als Karl Homann, als Mann.

Nicht selten war bei Scheinzwittern die Geschlechtsdrüse resp. der Uterus der Sitz von gutartigen oder bösartigen Neubildungen.

Von sonstigen Mißbildungen der äußeren Genitalien ist vollkommener Mangel und völlige Atresie sehr selten und nur bei lebensunfähigen Individuen beobachtet. Auch die Verwachsung der Rima pudendi ist selten. Infantiler Bau der Vulva paart sich meist mit infantiler Entwickelungshemmung der inneren Genitalien.


Fig 47 Anus vulvaris. Unter dem recht wohl erhaltenen Hymenkranz zieht quer durch das Vestibulum eine Hautfalte, hinter welcher der Mastdarm in letzteres einmündet. Etwa 2,5 cm hinter diesem Anus ist eine deutliche flache Grube als Andeutung der Stelle, an welcher normal der Anus liegt, zu sehen. Diese Grube ist wie deutlich zu fühlen, von einem Ringmuskel umgeben, ebenso wie sich nach vorn davon durch das Gefühl Dammmuskulatur nachweisen läßt. Exakter gelingt dieser Nachweis mit dem faradischen Strom, welcher übrigens zugleich erweist, daß die vulvare Anus-Öffnung nicht von einem Sphincter umgeben ist. Frau P., 33 Jahre alt hat zweimal geboren zuletzt vor 3 Jahren, hat bei keiner der Entbindungen eine Verwundung erlitten. Die Mißbildung geniert die Kranke wenig, doch ist die Vulva häufig mit Fäkalien beschmutzt.

Einige Mißbildungen des Mastdannes entstehen dadurch, daß Zustände aus der 4. Embryonalwoche persistieren. In der 4. Embryonalwoche kommuniziert der Enddarm noch mit dem Sinus urogemtalis. Um diese Zeit erst stülpt sich von außen eine kleine Grube (Analpartie, die spätere Afteröffnung), dem Enddarm (Rectalpartie) entgegen. Erreicht diese Grube den Enddarm nicht, so kann dessen Kommunikation mit dem Sinus urogeuitalis fortbestehen, d. h. es bleibt der Zustand der Kloakenbildung, wobei die Ausführungsgange ües Darmes und der Genitalorgane gemeinsam münden. Da dabei der Anus nach außen atretisch, nach der Vagina aber offen ist, so nennt man diesen Zustand Atresia ani vaginalis.

Dieselbe Auffassung habe ich für den Anus vestibularis und vulvaris, wo bei Atresie des Afters das Rectum in das Vestibulum mündet. Die Ansicht, daß bei diesen geringsten Graden der Mißbildung dieses Typus nur die Bildung desjenigen Teiles vom Rectovaginalseptum unterblieben sei, welcher vom äußeren Integument dem von oben herunterwachsenden Rectovaginalseptum entgegenwächst, halte ich nicht für zutreffend.

Wenn das von oben herunterwachsende Septum rectovaginale sich mit dem von unten ihm entgegen wachsenden Damm nicht begegnet, andererseits Rectum und Vagina normal gebildet werden, so bleibt eine Kommunikation zwischen Rectum und Scheide, kongeni­tale Rectovaginalfistel. Diese Mißbildung ist von schauta zusammen mit der analogen Mißbildung an der vorderen Kommissur (Hypospadie) angetroffen worden.

Nun kann aber auch, im Falle die Einstülpung des Hornblattes den Enddarm nicht erreicht, die normale Abschnürung des letzteren gegen den Sinus urogenitalis hin stattfinden. Dann handelt es sich um vollständige Atresie. Liegt sie hoch oben, dann nennen wir sie Atresia recti, liegt sie tief unten, dicht hinter der Haut, so sprechen wir von Atresia ani.

Ganz selten ist Atresia recti neben gleichzeitiger Einmündung der Analportion in die Scheide beobachtet worden.

Neuere Untersuchungen (MARCHAND, BORN, KEIBEL, DIENST) legen nahe, daß von diesen kongenitalen Fehlern des Mastdarmes nur die Atresia recti unter Umständen als Entwickelungshemmung aufzufassen ist. Dagegen müßten die Atresia ani, die Atresia ani vaginalis und die Atresia ani uterina als Resultate von Verwachsung fötaler Gewebsspalten gelten.

Von diesen Mißbildungen machen die Atresien ohne fehlerhafte Einmündung bald nach der Geburt Erscheinungen. Das Ausbleiben von Meconiumabgang fällt am ersten Tag schon auf, an späteren Tagen treten bedrohliche Erscheinungen der Koprostase, Flatulenz, Dyspnöe, Cyanose, Fieber hinzu.

Unter allen Umständen ist die plastische Operation indiziert, ein Fehler ist das bloße Anstechen des Enddarmes mit dem Troikart. Die günstigste Zeit ist der 2. oder 3. Lebenstag, wo das herabgetretene Meconium den Mastdarm stark ausdehnt. Hinter dem Damme wird ein Sagittalschnitt gemacht, von da das atretische Rectum aufgesucht, aufge­schnitten und an die Hautwunde angesäumt. Die Operation kann bei Atresia ani sehr einfach, bei Atresia recti, wenn sie hoch liegt, schwerer sein.

Die Atresien mit fehlerhafter Kommunikation nach der Vagina zu machen keine lebenbedrohenden Erscheinungen und werden häufig erst später entdeckt. Der unwillkürliche Abgang der Faeces und Flatus in die Vagina oder Vulva, wird je nach der sozialen Stellung und Bildung der Kranken verschieden schwer empfunden.

Für diese Fälle ist die einzig korrekte Operation die schon von DIEFFENBACH angegebene; Hautschnitt an der normalen Aftergegend, Abtrennen des Rectums von der Vagina und Einnähen der vorher in die Vagina oder Vulva mündenden Oeffnung in die neu angelegte Oeffnung an normaler Stelle.

Die kongenitalen Fisteln sind von der Vagina oder vom Rectum aus an zufrischen und durch die Naht zu verschließen.

Ebenfalls auf ein Persistieren des Kloakenzustandes zu beziehen ist die Einmündung des Bectums in die Blase (Anus vesicalis), meist gepaart mit anderen, aber die extrauterine Lebensfähigkeit ausschließenden Bildungsdefekten. (Fehlen der Nieren etc.)



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Achtung!
Dieses Buch ist ein altes Fachbuch, der Inhalt entspricht nicht dem aktuellen Stand der Medizin. Angegebene Therapien entsprechen höchstens dem Stand der Medizin zum angegebenen Druckdatum. Dasselbe gilt für eine ggf. angegebene Rezeptur für ein Medikament. Diese entsprechen nicht dem heutigen Stand der Medizin und sind unter Umständen sogar körperlich schädigend. Die Zubereitung von Rezepturen und die Anwendung derselben gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Apotheker.
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