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Meine Wasserkur

Sebastian Kneipp, 49. Auflage 1894

 

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Wasser-Anwendungen
Vollbäder
Von Sebastian Kneipp.

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a) Das kalte Vollbad für Gesunde.



Oefters kamen mir von bekannter und unbekannter Seite Warnungen zu des Inhaltes, ich möchte doch bedenken, daß die Anwendung des kalten Wassers gleichbedeutend sei mit Wärmeentziehung, daß Wärme-Entziehung blutarmen Personen sehr schade und die Nervenreizbarkeit in hohem Grade steigere.

Ich unterschreibe jedes Wort, wenn es sich um allzu schroffe Anwendungen der oben beschriebenen Art handelt; meine Anwendungen aber, an dieser Stelle die kalten Vollbäder, empfehle ich vorerst allen Gesunden zu jeder Jahreszeit, im Sommer und Winter, und behaupte, daß gerade diese Bäder zur Erhaltung und Kräftigung der Gesundheit wesentlich beitragen; sie reinigen die Haut, befördern die Hautthätigkeit, erfrischen, beleben und starken den ganzen Organismus. Im Winter sollen die Bäder in der Woche die Zahl zwei nicht leicht überschreiten; eines genügt alle acht, unter Umständen alle vierzehn Tage. .

Noch zwei Punkte seien hier berührt.

Eine wichtige Rolle im Gesundbleiben spielt das Abgehärtetsein gegen die verschiedenen Einflüsse, den Wechsel der Temperatur (Witterung, Jahreszeiten). Unglücklich der Mensch, dem jeder Windhauch, jedes Lüftchen die Lunge, den Hals, den Kopf verdreht, der das ganze Jahr aufmerken muß, wie heut und morgen die Windfahne gerichtet ist. Dem Baum in der freien Natur kann es gleichgiltig sein, ob Sturm, ob Windstille, ob Hitze, ob Kälte herrscht. Er trotzt Wind und Wetter, er ist abgehärtet. Der Gesunde probire unser Bad, er wird dem starken Baume gleichen.

Ein Grund der Angst und Vesorgniß vor den Kaltwasser-Anwendungen ist Vielen sehr schwer zu benehmen; ich möchte denselben bezeichnen als die fixe Idee von der Wärme-Entziehung Die Kälte schwächt und muß schwächen, sagen sie, wenn nicht auf deren Anwendung alsbald das Gefühl von Wärme folgt. Ganz gewiß, ich stimme bei. Aber ich behaupte entgegen, daß, abgesehen von der vielen Bewegung, die nach unfern Grundsätzen mit jeder Anwendung von kaltem Wasser strenge und vorschriftsmäßig verbunden ist, unsere Kaltwasserbäder der Natur die Wärme nicht rauben, vielmehr dieselbe erhalten und pflegen. Statt Allem die Frage: Wenn ein geschwächter, durch fortwährendes Stubensitzen verweichlichter Mensch, welcher zur Winterszeit nur im äußersten Nothfälle noch einen Ausgang wagen darf, durch die Bäder oder durch die Waschungen auf einmal so abgehärtet ist, daß er ohne Furcht bei jeder Witterung ausgeht, die empfindsame Kälte selbst kaum mehr empfindlich spürt, muß bei einem solchen die Naturwärme nicht gewonnen haben? Sollte dieses alles Schein und Trug sein?

Ein Beispiel von vielen möge doch hier Platz finden!

Ein hoher Herr, über 60 Jahre alt, war wasserscheu auf's äußerste. Seine größte Sorge bei Ausgängen bestand darin, ja nicht eines der unentbehrlichen Wollstücke zu vergessen; alle möglichen und unmöglichen Erkaltungen u.s.w. könnten ja die Folge solch' unverzeihlicher Vergeßlichkeit sein. Der Hals des Herrn war vor allen andern Kopf-, Rumpf- und Gliedertheilen so empfindlich, daß er ihn kaum mehr entsprechend zu pflegen, zu umhüllen wußte. Da kam der "Barbar" dahinter. Mit einer gewissen Schadenfreude verordnete er unsere kalten Vollbäder. Der Herr gehorchte. Und die Folgen? Dieselben waren außerordentlich günstige. Nach wenigen Tagen schon vollzog sich die erste Häutung; dem ersten Woll- und Flanellhemd folgte bald das zweite, und die Wollseile des Halses gingen bald denselben Weg. Jeden Tag, an dem er kein Vollbad nehmen konnte, hielt er für keinen geordneten Tag; so sehr stählte es fühlbar gegen Klima und Witterung. Und er nahm die Bäder nicht bloß im erwärmten Zimmer, er nahm dieselben im Oktober noch beim täglichen Spaziergange in einem Flusse, dessen kalte Wasser ihm willkommener waren als das Wasser der zu Hause stehenden Badewanne. —

Die Hauptfragen, die wir zu beantworten haben, sind folgende:

In welchem Zustande, in welcher Disposition (Beschaffenheit) muß der gesunde Körper sein, daß er solche kalte Vollbäder mit gutem Erfolge gebraucht? Ferner:

Wie lange darf ein Gesunder im Bade bleiben? Endlich:

Zu welcher Jahreszeit beginnt man am leichtesten diese Abhärtungskur?

Die gute Disposition für die kalten Vollbäder erfordert wesentlich, daß der ganze Körper vollkommen warm sei.

Wer somit durch den Aufenthalt im warmen Zimmer, wer durch Arbeiten oder durch Gehen vollständig durchwärmt ist, befindet sich in der richtigen Verfassung.

Wem kalt ist, wer an kalten Füßen leidet, wen fröstelt, der soll bei solchem Kältezustände nie ein kaltes Vollbad nehmen, er habe sich denn zuvor durch Gehen u.s.w. gehörig erwärmt.

Umgekehrt: wer schwitzt, wer erhitzt (ich rede von gesunden Menschen), im größten Schweiße wie gebadet ist, nehme ruhig unser Vollbad.*

Kaum wird irgend etwas selbst von ruhigen, besonnenen, einsichtsvollen Männern so sehr gefürchtet, als in der Hitze, im Schweiße sich in's kalte Wasser zu begeben. Und doch, nichts ist schuldloser. Ja, ich stelle kühn die wohlüberlegte und langjährig erprobte Behauptung auf: Je ärger der Schweiß, um so besser, um so wirksamer das Bad.

Bei Unzähligen, die früher geglaubt hatten, es müsse sie bei solcher "Roßkur" sofort der Schlag treffen, war nach einem einzigen Versuche, nach der ersten Probe alle Furcht, alle Angst, alles Vorurtheil geschwunden. **

Wer hat denn je, wenn er schwitzend nach Hause kommt, wenn ihm der salzige Saft über's Gesicht rinnt und die Finger wie mit Klebstoff zusammengeleimt erscheinen, Bedenken und Furcht, Hände und Gesicht zu waschen, wohl auch noch Brust und Füße? Das thut ein Jeder; denn es macht behaglich und wohl. Muß die Wirkung für den ganzen Körper — das ist die nothwendige Folgerung — nicht dieselbe sein? Sollte eine Sache, die einzelnen Theilen vortrefflich zu statten kommt, für dieselben eine Wohlthat ist, für das Ganze ein Nachtheil, ein Verderben sein?

Ich glaube, die Angst vor der schädlichen Wirkung der kalten Bäder für Schwitzende rührt meistens her von der Wahrnehmung, daß Personen, die, von Schweiß triefend, plötzlich an die Kälte kommen oder der frischen Luft, besonders der Zugluft sich aussetzen, sich manchmal schon für ihr ganzes Leben gründlich verdorben haben. Das ist ganz wahr.

Ich gebe noch mehr zu, daß sich nämlich auch schon manche Schwitzende im kalten Nasser die Keime zu schweren Leiden holten. Was trägt die Schuld: der Schweiß oder das Kaltbad? Keines von beiden! Wie bei Allem im Leben, so kommt es auch hier in erster Linie nicht auf das Was, sondern auf das Wie an, in unserm Falle, wie die Menschen im Schweiße das kalte Wasser gebrauchen. Mit dem einfachen Taschen- und Brodmesser kann ein Rasende: namenloses Unheil anrichten. Unvernünftige Anwendung kann das höchste Gut in das größte Uebel verkehren. Merkwürdig bleibt nur, daß man dann stets das Gut und nicht die zu verurtheilenden Mißbrauche desselben verdammt.

Auf das Wie des Gebrauches also kommt es an. Wer in diesem Stücke seinem Kopfe nachgeht, der mag auch die Folgen, an denen er leichtfertiger Weise selbst die Schuld hat, allein tragen.

Damit stehen wir bei der Beantwortung der zweiten Frage: wie lange darf ein Gesunder im kalten Vollbade bleiben?

Ein Herr, dem ich wöchentlich zwei solcher Bäder verordnet hatte, kam nach 14 Tagen zu mir und jammerte, daß sein Zustand sich bedeutend verschlimmert habe, er sei wie ein Eisklumpen. Das Aussehen war sehr leidend, und ich begriff nicht, daß das Wasser mich auf einmal so im Stich gelassen. Auf meine Frage, ob er die Anwendung genau nach Weisung gemacht, antwortete der Herr: "Auf's genaueste; ich habe noch mehr gethan, als Sie befohlen haben; statt einer Minute bin ich fünf Minuten im Wasser geblieben, dann aber kaum mehr oder nicht mehr warm geworden." Er machte es die folgenden Wochen richtig und hatte in Bälde die frühere Naturwärme und Frische.

Dieser eine Fall illustrirt (bildet ab) alle Fälle, in denen das Wasser geschadet haben soll. Nicht das Wasser, nicht die Anwendung fällt aus der Rolle; die unvorsichtigen und ungenauen Menschen sind die Missethäter. Wie nun aber einmal die Gewohnheit besteht, muß ihre Schuld das unschuldige Wasser tragen.

Wer das kalte Vollbad nimmt, kleide sich rasch aus und lege sich eine Minute in die bereitstehende Badewanne. Wer es im Schweiße nimmt, setze sich in die Wanne, d. h. gehe nur bis an die Magengegend in's Wasser und wasche sich schnell und kräftig den Oberkörper ab. Dann tauche er einen Augenblick bis zum Halse unter, gehe ungesäumt aus dem Wasser und kleide sich, ohne abzutrocknen, in thunlichster Eile an. Der Hand- oder Feldarbeiter kann sofort wieder seine Arbeit aufnehmen; Andere müssen (mindestens eine Viertelstunde) so lange Bewegung machen, bis der Körper vollständig trocken und normal erwärmt ist. Ob dieses im Zimmer oder im Freien geschieht, bleibt sich ganz gleich; ich für meine Person gebe selbst im Herbst und Winter stets der frischen Luft den Vorzug.

Was du thust, mein lieber Leser, das thue vernünftig und überschreite nie das rechte Maß! Auch die Anwendung des Vollbades soll in der Woche die Zahl von drei in der Regel nicht übersteigen.

Wann soll ich am besten diese Bader beginnen?

Die wichtige Arbeit, den Körper abzuhärten oder, was gleichbedeutend ist, ihn gegen Krankheit zu schützen, widerstandsfähig zu machen, kann nie früh genug begonnen werden. Fange gleich heute noch an, aber fange an mit leichteren (s. Abhärtungsmittel), nicht gleich mit den schwereren Hebungen! Du könntest sonst leicht den Muth verlieren! — Unsere kalten Vollbäder wirst du beginnen können, wenn du kräftig bist, vielleicht nach kurzer Vorbereitung, wenn du schwach bist, unter Umständen erst nach längerer Vorübung.

Es ist dieses ein sehr wichtiges Kapitel. Nur nicht unvermittelt, plötzlich, mit den strengsten Mitteln etwas forciren, erzwingen wollen! Das ist zum mindesten Unverstand.

Ein Arzt rieth einem am Nervenfieber Erkrankten, er solle eine Viertelstunde in's kalte Nasser gehen. Der Kranke that es, bekam aber darnach solchen Frost, daß er in Zukunft von einem solchen Heilbade natürlich nichts mehr wissen wollte, es verwünschte und verfluchte. Die Erklärung des Sachverständigen ging einfach dahin: nach solchen Erfahrungen sei klar, man könne bei dem Kranken das Wasser nicht ferner in Anwendung bringen, der Kranke sei im Uebrigen verloren. Mit diesem Todesurtheil kam man zu mir. Ich gab den Rath, der Aufgegebene solle doch nochmals das Wasser probiren, aber statt einer Viertelstunde nur zehn Sekunden (Hinein und hinaus) im Wasser bleiben, der Erfolg müsse, ein anderer sein. Gesagt, gethan; in wenigen Tagen erholte sich der Kranke.

Bei derartigen Vorkommnissen drängte sich mir stets die Meinung auf, man wende das Nasser absichtlich in solch' schroffer, unbegreiflich gewaltthätiger Weise an, um das Volk, anstatt mit Vertrauen, mit Schrecken vor diesem nassen Wauwau zu erfüllen. Ich bin ein sonderbarer Mensch, ich weiß es; d'rum wird man mir solche Einfülle nicht hoch anrechnen.

Solche, denen es Ernst ist, mögen nach Anwendung der Abhärtungsmittel zuerst noch die Ganzwaschungen (s. Waschungen) beginnen und dieselben, wenn sie das Waschen vor Schlafengehen nicht aufregt und wach erhält, abends vordem Bettgehen, sonst in der Frühe beim Aufstehen vornehmen. Abends verliert man gar keine Zeit, auch früh ist in einer Minute Alles fertig. Wer nicht gleich zu tüchtiger Hand-Arbeit oder in kräftige Bewegung kommt, soll sich nochmals (bis zur Trocknung und Erwärmung) ein Viertelstündchen niederlegen.

Diese Uebung, wöchentlich zwei- bis viermal vorgenommen, was genügt, oder täglich praktizirt, bildet die beste Vorbereitung zu unserem kalten Vollbade. Man versuche es nur einmal! Dem ersten Unbehagen wird bald ein bis in's Innerste hinein wohlthuendes Behagen folgen, und was früher gescheut und gefürchtet war, wird bald fast Bedürfniß werden.

Ein mir bekannter Herr ging 18 Jahre hindurch allnächtlich in fein Vollbad. Ich hatte es ihm nicht vorgeschrieben; aber er wollte die Uebung durchaus nicht lassen. In den 18 Jahren war er keine Stunde lang krank.

Andere, die in einer Nacht zwei- bis dreimal in die Badewanne stiegen, mußte ich zurückhalten, es ihnen verbieten. Wäre die Uebung sie hart oder unausstehlich angekommen, wie man so oft ausschreit und ausheult, sie hätten es sicherlich bleiben lassen. —

Wer es mit der Abhärtung, mit der Erhaltung seiner Gesundheit, mit seiner Kräftigung ernst meint, fasse das kalte Vollbad recht in's Auge,* lasse es aber bei dem guten Vorsatze allein nicht bewenden.

Kräftige Völker, Geschlechter, Familien sind stets treue Freunde des kalten Wassers, gerade unseres Vollbades gewesen. Je mehr unser Zeitalter den Charakter und Namen des verweichlichten bekommt, um so höhere Zeit ist's, zurückzukehren zu den gesunden, natürlichen (nicht verkünstelten und unnatürlichen) Anschauungen und Grundsätzen der Alten.

Noch gibt es manche, besonders hochadelige Familien, angesehene Männer, welche gerade unsere Wasseranwendung gleichsam als Haustradition und als ein zur Gesundheitspflege überaus wichtiges Erziehungsmittel ansehen und ihrem Stamme, ihren Nachfolgern gesichert wissen wollen.

Wir brauchen uns also unserer Sache nicht zu schämen.



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Dieses Buch ist ein altes Fachbuch, der Inhalt entspricht nicht dem aktuellen Stand der Medizin. Angegebene Therapien entsprechen höchstens dem Stand der Medizin zum angegebenen Druckdatum. Dasselbe gilt für eine ggf. angegebene Rezeptur für ein Medikament. Diese entsprechen nicht dem heutigen Stand der Medizin und sind unter Umständen sogar körperlich schädigend. Die Zubereitung von Rezepturen und die Anwendung derselben gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Apotheker.
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