Kolpotomie
Die inneren Genitalien kann man sich auch noch auf einem anderen Wege als durch den Leibschnitt zugängig machen, nämlich von der Scheide aus (Kolpotomie).
Dieser Weg wurde zunächst nur zum Zwecke der Exstirpation des Uterus oder behufs Eröffnung des dem hinteren Scheidengewölbe unmittelbar angrenzenden DOUGLASschen Raumes betreten. Erst später zeigten die Methoden, den fehlerhaft liegenden Uterus an die Scheide anzuheften, daß eine Eröffnung des Peritoneum» vom vorderen Scheidengewölbe aus auch für eine Reihe von anderen Operationen auszunutzen sei (Dührssen).
Während die Eröffnung des hinteren Scheidengewölbes nur für die Entleerung von serösen oder blutigen Exsudaten verwendet werden kann, für kompliziertere Operationen aber, zumal an Tube oder Ovarien, wenn auch sehr wohl gangbar ist, so doch gegenüber der Laparotomie sicher keine technischen Vorteile, sondern nur Nachteile bietet, so ist für die Exstirpation des Uterus, eventuell auch seiner Adnexe, sobald er nicht erheblich vergrößert oder verkleinerungsfähig ist, die Kolpotomie im allgemeinen der gegebene Weg. (Vgl. darüber die Kapitel Myom, Carcinom des Uterus, entzündliche Adnexerkrankungen.)
Von dem vorderen Scheidengewölbe aus kann man, nachdem man es quer aufgeschnitten, die Blase abgeschoben und die Plica vesicouterina peritonei eröffnet hat, leichter als vom hinteren aus zu den Adnexen gelangen und unter günstigen Bedingungen ihre Exstirpation oder operative Korrekturen an ihnen vornehmen. Dislozibilität ist Conditio sine qua non, die Adnexe müssen in die Vagina hineingezogen werden können.
Die Anwendbarkeit der Kolpotomie ist viel beschränkter als die der Laparotomie; die räumliche Beengung ermöglicht nicht die Ueberwindung bedeutender technischer Schwierigkeiten, welche durch Größe und Verwachsung der eventuell zu exstirpierenden Organe bedingt werden. Reichen vorderer oder hinterer Scheidenschnitt nicht aus, so kann die Exstirpation des Uterus genügenden Platz und ausreichende Bequemlichkeit schaffen; ist in solchem Falle die Exstirpation des Uterus durch die Affektion, um deren willen operiert wird, nicht indiziert, so muß er nur um technischer Vorteile willen — also unschuldig — entfernt werden. Das sind empfindliche Mängel gegenüber der Laparotomie.
Die Vorteile der Kolpotomie beruhen darin, daß der Bauchschnitt und damit die Möglichkeit der Hernienbildung vermieden wird. Höher ist, in Anschlag zu bringen, daß bei der Kolpotomie die Gefahr, das Peritoneum zu infizieren, geringer ist. Operateur und Assistent kommen mit größeren Peritonealflächen überhaupt nicht in Berührung; erfolgt wirklich die Uebertragung differenter Keime, so beschränkt sie sich im wesentlichen nur auf das Peritoneum des Beckens, wo eine Abkapselung der Entzündung, eine leichtere und ungefährlichere Ausheilung möglich ist. Dieser Umstand hat den Operationsmethoden an den inneren Genitalien von der Scheide aus schnell viele Anhänger verschafft und hat bewirkt, daß sie in den Händen vieler eine über die durch räumliche Verhältnisse gesteckten Grenzen weit hinausgehende Anwendung erfahren hat.
Ein interessantes Verfahren, um den empfindlichen Nachteil der Kolpotomie gegenüber der Laparotomie möglichst auszugleichen, beschreibt V. Ott als Ventroskopie. Es gelingt nämlich bei starker Beckenhochlagerung und Auseinanderziehen der Vagina mit Scheidenhaken, von einer vorderen Kolpocöliotomiewunde aus mittels geeigneter reflektierter Beleuchtung größere Abschnitte des Bauchraumes, und zwar nicht nur des Beckens, sondern bei ausreichendem Zurücksinken der Därme sogar Colon transversum, Magen, einen Teil der Leber, Gallenblase und Milz zu Gesicht zu bringen.
Nach Beendigung der Operation werden die Wunden von der Scheide aus durch die Naht versorgt. Bestand nicht genügende Blutsicherheit, mußten Klemmen behufs Blutstillung liegen gelassen werden, oder bestand nicht genügende Keimfreiheit, weil in Mikroben-faltigem Gewebe operiert wurde, so empfiehlt es sich, offen zu lassen und durch einen Vioformgazetampon, welcher 7 Tage liegen gelassen und eventuell dann erneuert wird, zu schließen. Während dieser Zeit liegt entweder ein Katheter a demeure, oder es wird regelmäßig katheterisiert. Nur wenn der Vaginaltampon sehr gut abschließt, kann das spontane Urinieren gestattet werden.
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