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Lehrbuch der GynäkologieOtto Küstner, 4.Auflage 1910 | |
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VII. ABSCHNITT. Allgemeine Diagnostik.Kapitel XXVII. Gynäkologisch-diagnostische Methoden. Von Otto Küstner.
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I. Klinische Untersuchung: Inspektion
Hat man auf Grund der Anamnese Ursache, einen gynäkologischen Fall zu mutmaßen, so beginne man mit der Inspektion des Abdomens; man lasse die Kranke das Korsett ablegen, die Hose und sämtliche das Mesogastrium schnürenden Röcke aufbinden, den Unterleib ganz entblößen und sich auf ein hartgepolstertes Untersuchungssofa legen. Meist kommen die Kranken mit leerer Harnblase. Eine Frage, wann diese zuletzt entleert sei, ist nie überflüssig, nötigenfalls lasse man das Versäumte nachholen. Dann betrachte man das Abdomen und beachte eventuelle Vorwölbungen, die Beschaffenheit der Bauchdecken, ob sie straff oder schlaff sind, Farbe und Verlauf gelegentlich vorhandener Striae. Darauf perkutiere man das Abdomen, stelle die Lage der Leber und Milz fest. Tumor- und auffallende Dämpfungsgrenzen zeichne man sich mit Buntstift auf die Haut.
Zuletzt palpiere man das Abdomen, versichere sich über die Konsistenz eventuell gefundener Tumoren, palpiere die Nieren, wenn die Bauchdecken nachgiebig genug sind.
Darauf schreitet man zur Genitaluntersuchung. Man beginnt mit der Inspektion der Vulva, kontrolliert deren Schlußfähigkeit, achtet auf Narben und Defekte im Vestibulum, auf Prozidenzen der einen oder beider Vaginalwände, achtet auf die Beschaffenheit der Vulvaschleimhaut und des im Introitus befindlichen Sekretes.
Dann folgt die Untersuchung der inneren Genitalien. Für diese gilt ein über alles andere zu setzendes Gebot:
Man lasse dabei nie die für die Vermeidung der Keimübertragung geltenden Prinzipien außer acht (vgl. Kap. Aseptik und Antiseptik). Diesem Postulat ist seitens der anzuwendenden Instrumente leicht, schwer seitens der Hände und Finger zu genügen. Mit ihm würde sich deshalb eine ausgedehnte praktische Tätigkeit gar nicht mehr vereinigen lassen, wenn wir nicht durch Gummihandschuhe und Gummifingerlinge jederzeit in der Lage wären, unsere Tastoberfläche zu erneuern und völlig keimfrei zu gestalten, andererseits durch diese Bekleidung unsere Hand vor Berührung mit Keimen, welche auf die nächst zu Untersuchende übertragen werden können, zu bewahren.
Zum mindesten muß vor und nach jeder vaginalen Untersuchung die Hand einer gründlichen, peinlichen Säuberung mit warmem Wasser, Seife, Alkohol, Lysol, Karbol oder Sublimat unterzogen werden. Die untersuchenden Finger werden mit einem sterilen Fett (Lanolin) oder besser mit Lysol benetzt. Ganz besondere Sorgfalt verwende man, wenn man Kranke untersucht hat, von welchen Keime, welche auf intakter Schleimhaut haften, durch die Untersuchung auf andere übertragen werden können (Gonokokken). Das Rectum und Carcinomverdächtige sollten nie anders als mit Gummifingerling resp. Gummihandschuh untersucht werden. Ich mache von den Gummihandschuhen eine noch viel ausgedehntere Anwendung und empfehle auf Grund langjähriger Erfahrung folgendes Verfahren: Wenn man Kranke untersucht, ist stets die eine Hand mit Gummihandschuh bekleidet. Diese benutzt man zur vaginalen Palpation; ihre Oberfläche läßt sich, weil sie glatt ist, nach der Untersuchung schon mit sterilem Wasser keimfrei machen, sicherer natürlich mit einem Desinficiens, am besten mit Lysol, mit ihr kann man so, ohne Keimübertragung fürchten zu müssen, viele Kranke hintereinander untersuchen. Glaubt man mit virulentem Eiter (Gonorrhoe, Carcinom) in Berührung gekommen zu sein, hat man vom Rectum aus palpiert, so kann man immer noch um der größeren Sicherheit willen den Handschuh wechseln. Untersucht man Dutzende von Kranken hintereinander, so ist der Gummihandschuh unentbehrlich,.
weil die Waschung zwischen zwei Untersuchungen viel zu fragmentär ausfällt, als daß sie eine nackte Handoberfläche nur einigermaßen keimarm gestalten könnte.
Man setzt sich, wenn man die linke Hand zur inneren Untersuchung wählt, auf die linke Seite der Kranken — im anderen Falle auf die rechte — und führt, indem man mit der rechten Hand die großen Labien auseinanderspreizt, um nicht Haare und der Vulva anhaftende Fremdkörper mitzunehmen, den Zeigefinger der linken Hand in die Vagina ein. Dabei hält man diese mit der Volarfläche nach unten, nach dem Damm zu und schiebt, indem man Frenulum und Damm stark nach unten drückt und möglichst vermeidet, die empfindliche Urethralöffnung zu berühren, den Finger langsam bis gegen die Vaginalportion vor. Auf dem Wege bis dahin verschafft man sich bereits ein Tastbild von der Oberfläche der Vagina, von Größe, Beschaffenheit und Form der Vaginalportion, des äußeren Muttermundes und seiner nächsten Umgebung.
Bei der prima vista führe man nur einen Finger ein. Hat man sich erst von genügender Weite der Vagina überzeugt, so läßt man den Mittelfinger nachschlüpfen. Das geht, und zwar ohne daß man verletzt oder Schmerzen macht, bei den meisten Frauen, welche geboren, und bei den meisten, welche längere Zeit in geschlechtlichem Verkehr gestanden haben.
Bei Virgines intactae kann man, ohne den Hymen zu verletzen, meist nicht einmal einen Finger in die Vagina einführen. Hier muß man ebenso, wie bei unerwachsenen Mädchen, anstatt von der Vagina, vom Rectum aus palpieren. Ergibt die so gewonnene Tastdiagnose die Notwendigkeit einer örtlichen Behandlung, so muß die Integrität des Hymens geopfert werden. Um der bloßen Diagnose willen aber ist das nicht nötig.
Wo es angängig ist, soll man stets mit zwei Fingern von der Vagina aus palpieren. Die Schätzung von Dimensionen und Distanzen ist so ungleich sicherer, als wenn wir nur einen Finger benutzen. Das Muskelgefühl, welches unserem Verständnis die Größe des Spreizungswinkels der beiden touchierenden Finger vermittelt, setzt sich in der Vorstellung unmittelbar in ein recht genaues Bild von der Distanz der Fingerspitzen um. Tasten wir aber nur mit einem Finger, so ist es die Bewegungsexkursion, welche die Fingerkuppe über die Oberfläche des getasteten Körpers weg oder um dieselbe herum macht, was die Vorstellung von dessen Größe vermittelt. Das gibt viel weniger genaue Vorstellungen. Mit einem Worte, die dreidimensionale Wahrnehmung gewinnt erheblich durch die Tastung mit zwei Fingern von der Scheide aus.
Sehr wichtig ist, daß man mit der Einführung der Finger in die Vagina der Kranken nicht weh tut und sie nicht erotisch aufregt. Schmerz wie erotische Erregung versetzen wie auch andere Muskelgruppen, so die der Bauchwandungen in Kontraktion. Effekt: Unmöglichkeit, mit der von außen tastenden Hand bis zu den Beckenorganen vorzudringen. Man vermeide, die vorderen Gebilde des Vestibulums, Urethramündung und Clitoris zu berühren, man setze die Friktion auf ein Minimum herab dadurch, daß man die untersuchenden Finger mit einer schlüpfrigen Masse benetzt, daß man sie langsam einführt, daß man in der Vagina möglichst wenig ausgiebige Bewegungen macht.
Während die Finger von der Vagina aus tasten, drückt die andere (rechte) Hand oberhalb des Haarwuchses zart, aber energisch die Bauchdecken ein und tastet so den in der Vagina liegenden Fingern entgegen.
Eine große Hauptsache ist, daß man es verstellt, die Kranken so zu präparieren, daß die Bauchdecken für eine ergiebige Abtastung der Beckenorgane schlaff genug sind. In ähnlicher Weise, wie Schmerz und Erregung, wirken andere Gemütsaffekte, besonders Angst. Viele kommen schon ängstlich in das Sprechzimmer des Arztes. Die Vorbereitungen, die Eindrücke, welche sie daselbst empfangen, sind meist nicht geeignet, beruhigend zu stimmen. Daher soll man ihnen jeden irgendwie befremdenden Eindruck sparen. Und aus diesem Grunde untersuche ich meine Kranken zuerst nicht auf einem der gebräuchlichen, sonst sehr zweckmäßigen Untersuchungsstühle, sondern auf einer einfachen, hart gepolsterten Couchette. Wie bereits gesagt, müssen alle die Untersuchung behindernden Kleider abgelegt werden. Dazu gehören die Beinkleider und alles, was den Bauch bedeckt und womöglich einschnürt, Korsett und sämtliche Röcke. Will man die Kranke sich nicht bis aufs Hemd auskleiden lassen, so mögen die losgebundenen und heruntergestreiften Röcke und Hosen die Beine, und die geöffnete Taille und das Hemd den Oberkörper umhüllen.
Weiter ist für die erfolgreiche Palpation von außen von großer Wichtigkeit, daß man die Kranke so lagert, daß sie nicht spannen muß. Liegt sie mit hohlem Kreuz (Infanteriekreuz), mit lordotisch durchgebogener Lendenwirbelsäule, so wird der Inhalt der Bauchhöhle nach vorn getrieben und so eine Spannung der vorderen Bauchwand unterhalten. Sie muß mit kyphotisch gebogener Lendenwirbelsäule, in sich zusammengekrochen, daliegen. Zureden und Beschreiben hilft meist nicht viel; am besten ist es, man richtet das Lager so ein, daß die zu Untersuchenden nicht anders liegen können, daß der Steiß hoch, Lendengegend und Rücken tief, Schultern wieder hoch, d.h. etwa in gleicher Höhe mit dem Steiß, und der Kopf noch etwas höher liegen. Das ist am einfachsten dadurch zu erreichen, daß man ein nicht zu niedriges, hart gestopftes Keilkissen unter das Gesäß so schiebt, daß Genitalien und Anusöffnung genau mit dem Rande des Kissens abschneiden. Liegt die Kranke auf einem so eingerichteten Lager bequem, läßt man dann die mäßig gespreizten Beine so anziehen, daß die Femora rechtwinkelig zur Rumpfachse stehen, so überwindet man meist die straffsten Bauchdecken.
Dasjenige, was wir durch die Palpation in allen Fällen erreichen wollen und müssen, ist ein vollständig klares topisches Bild des gesamten Beckeninhaltes; dazu genügt die Palpation von Vagina und Bauchdecken aus nicht immer, sondern es gehört dazu auch mitunter der Palpationseindruck vom Rectum aus.
Bei einigermaßen straffer Vagina nämlich kann man das hintere Scheidengewölbe nicht so hoch drängen, daß man die hintere (obere) Fläche des Uterus und die hintere Fläche der Ligamenta lata nebst den Eierstöcken genügend deutlich tasten kann. Wohl gelingt die Tastung dieser Teile vom .Rectum aus. Das Einführen eines Fingers in das Rectum wird von den meisten Kranken ohne weiteres vertragen; nur wenige bekommen bereits daraufhin wie die meisten auf die Einführung von zwei Fingern lebhaften Tenesmus, so daß die erforderliche Erschlaffung der Bauchdecken unerreichbar ist. Hier hilft mitunter Zureden. Während man den Zeigefinger im Rectum hat, steckt man den Daumen vorteilhaft in die Vagina; der hilft dem Zeigefinger in vorzüglicher Weise sich orientieren.
Von Bedeutung ist es, daß man beide Hände in gleicher Weise zur bimanuellen Tastung ausbildet, daß man ebenso sicher tastet, ob man es mit der linken Hand von der Vagina und mit der rechten von den Bauchdecken aus tut, oder umgekehrt.
Die alltäglichen Vorkommnisse in der Praxis fordern diese Amphidexterität; manches Bett steht mit der rechten, manches mit der linken Seite an der Wand; Abrücken desselben oder Umlegen der Kranken ist nicht immer tunlich. Und wenn man die gleiche Gewandtheit für beide Hände erlangt hat, muß man bemüht sein, sie sich durch Uebung zu erhalten. Man kann sie sehr leicht wieder verlieren.
Auch derselbe Fall macht unter Umständen die Untersuchung sowohl mit der linken wie mit der rechten Hand von der Scheide aus notwendig. Jede Zwangsstellung des Körpers, jede Zwangshaltung der Hand beeinträchtigt in hohem Maße die Wahrnehmung durch das Tasten. Unsere Hand befindet sich in einer unbequemen Haltung, wenn sie stark supiniert wird; sehr bequem dagegen, und für die Aufnahme von Tasteindrücken besonders geeignet ist die Mittelstellung zwischen Pronation und Supination. Diese Mittelstellung aber ist nur zur Austastung der einen Beckenhälfte, der der Volarfläche zugekehrten, geeignet. Erfordert es der Fall, daß man besonders die seitlichen Partien des Beckens austastet, so benutze man für die linke Beckenhälfte die linke, für die rechte die rechte Hand.
Ist bei dem ersten Versuche die Tastdiagnose unvollkommen geblieben, so gelingt häufig ein zweiter, am nächsten Tage unternommener besser. Die Kranke ist vertrauter geworden, sie weiß, daß ihr nicht weh getan wird, sie ist für die Untersuchung geschickter. Aber auch der Untersuchende steht nicht mehr vor dem ganz frischen Falle, er hat nur ein bereits im Umriß vorhandenes Bild ergänzen. Ich kann es geradezu als Methode empfehlen, daß man aus irgendwelchen Gründen schwierige Fälle wiederholt untersucht, das fördert die Klarheit der Diagnose ungemein.
Normale Verhältnisse vorausgesetzt, so muß man auf diese Weise Lage und Gestalt des antevertiert liegenden Uterus fühlen, muß durch Bewegungen seine Flexibilität konstatieren, muß deutlich beide Ovarien wahrnehmen, wahrnehmen, daß deren Längsachse von hintenoben nach vorn-unten gerichtet ist, muß die DOUGLASschen Falten palpieren und sich von ihrer Zartheit überzeugen, muß deutlich ihre Insertion etwa 3 cm über dem äußeren Muttermund fühlen.
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5. 12. 1983 Patentantrag durch Montagnier, Pasteur-Institut auf Erteilung eines Patents auf den ersten HIV- (AIDS) Test, dem Montagnier-Test. |
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