I. Klinische Untersuchung: Austastung
Besonders vorbereitender Akte bedarf gewöhnlich die Austastung des Uterusinneren. Nur selten, nur bei tief in der Cervix inserierten oder in diese hinabgetretenen Myomen, gelegentlich bei Corpuscarcinom, während der Aborttätigkeit des Uterus, während des Puerperiums ist von Hause aus die Cervix so weit, daß man mit einem Finger eindringen und das Uterusinnere austasten kann. Unter allen anderen Verhältnissen ist es nötig, erst den Uterus zu diktieren. Das geschieht bei weitem am besten durch Quellmittel, Tupelo, Preßschwamm, besonders Laminaria.
In vorantiseptischer Zeit waren diese Mittel recht gefährlich, häufig wurden mit ihnen eitererregende Mikroben eingeführt, sei es von außen, sei es aus der Vagina. Weiter schlössen ihre früher geübten Anwendungsmethoden das Entstehen kleinster Verletzungen, Epithelabschürfungen des Cervixkanals, des Uteruscavums nicht mit Sicherheit aus. Diese Wunden wurden, solange der Quellmeißel lag, infiziert, schwere septische Metritis, Salpingitis, Peritonitis waren gelegentlich die Folge.
Mit strenger Einhaltung verläßlicher antiseptischer Maßregeln kann man die Gefahr der Laminariadilatation auf ein Minimum herunterdrücken; und das ist von kardinaler Bedeutung, denn die Laminariadilatation ist diejenige Methode, vermittelst deren wir uns das Uterusinnere am besten und sichersten erschließen.
Die besten Vorschriften für die Laminariadilatation lehnen sich eng an die SCHULTZEschen an.
Man reinigt mit Seife und Bürste die Vulva gründlich und. spült die Vagina mit Sublimatlösung oder Lysol aus. Darauf nimmt man einen in steriler Watte oder in 10-proz. Jodoformäther oder in 1-proz. Sublimatalkohol aufbewahrten Laminariastift von derjenigen Stärke, welche der Cervix entspricht und welche man vorher durch graduierte Sonden (Seite 521) eruiert hat, wirft ihn auf 2 Minuten in kochende Karboloder Sublimatlösung, entnimmt ihn derselben mittels steriler Zange, faßt ihn mit sterilem Tuch und gibt ihm diejenige Biegung, welche, wie ebenfalls die Sonde festgestellt hat, der Uterus besitzt. Dann schabt man vorteilhaft mit sterilem Messer die Rauhigkeiten von der Oberfläche des Stiftes weg und wischt ihn nochmals mit einer starken Sublimatlösung ab.
Fig.323. Tastbild bei einem Echinococcns pelvis. 5 getrennte Echinokokkensacke, von diesen einer im rechten Ovarium (O.d.), einer im rechten Parametriura (Pd) einer im linken Paracystium (P.a.), einer im Mesocolon descendens (M.d.) einer in der Radix mesenterii (R.m.).
Frau Schw., 31 Jahre alt, 3 Partus, letzter vor 5 Monaten; Patientin bemerkt seit 5 Jahren rechts im Leibe einen Tumor, der namentlich seit dem letzten Partus gewachsen sein soll. Jetzt auch Tumor links bemerkt. Operiert, d.h. sämtliche Echinokokkensäcke ausgeschält, das rechte Ovarium exstirpiert, am 11. Juni 1899. Glatte Heilung.
Fig.324. Großes Myom des Rectums der Frau K., 53 Jahre alt, welche 2mal geboren hat, seit 3 Jahren klimakterisch ist und über hartnäckige Stuhlverstopfung klagt Operiert vom Abdomen aus 7. Febr. 1903. Geheilt. Der Tumor drängt die inneren Genitalien, Uterus und Adnexe stark nach vorn. Diagnose war auf Ligamentmyom gestellt worden.
Darauf wird die Portio nach unten gezogen, der Muttermund freigelegt und der Stift schonend eingeschoben. Vor die Portio kommen feuchte, desinfizierende Wattebäusche, soviel als nötig sind, um die Vagina auszutamponieren.
Dann wird die Kranke ins Bett getragen, alle 3 Stunden Temperatur gemessen, nach 5—8 Stunden der Stift entfernt und der Uterus mit einem einfachen SCHULTZEschen Katheter gründlich ausgespült.
Maß der Stift ursprünglich ungefähr 4 — 5 mm, so hat er jetzt etwa eine Dicke von 10 mm. Solche einmal gewonnene Dilatation hält länger vor, wenn auch nicht von derselben Weite, sie genügt für eine Spülbehandlung bei Endometritis, für die Austastung ist sie noch ungeeignet.
Fig.325. Enorm gefüllte Harnblase, sie reicht bis zur Höhe des Rippenbogens, wird durch den schwarzen strich formigen Schatten, welcher von der Gegend der linken Spina il. ant. sup. auf die rechte Mamma zu zieht, markiert. Frau K., Mai 1900, Retroflexio uteri gravidi IV mens.
Will man das Cavum uteri so erweitern, daß seine Abtastung mit dem Finger möglich ist, so benötigt es gewöhnlich noch eines Stiftes, welcher am besten unmittelbar nach der Entfernung des ersten eingelegt wird. Dieser Stift habe etwa die Dicke von 10 mm. Er ist nach 8 Stunden auf etwa 15 mm gequollen, und das genügt gemeiniglich für den Zeigefinger.
Bei der Abtastung des Uterusinneren, welche nur mit dem gummibekleideten Finger geschehen darf, sekundiert die von außen palpierende Hand wie bei der bimanuellen Untersuchung. Erforderlichenfalls bedient man sich der Narkose.
Nicht zu empfehlen sind die anderen genannten Quellmittel. Tupelo quillt zwar schnell, aber kraftlos, und der Preßschwamm ist in so schwachen Nummern, wie man seiner für eine schonende Einführung in einen nicht erweiterten Uterus bedürfte, nicht zu haben, ist außerdem absolut nicht zu sterilisieren.
Die Laminariastifte sind aus den Blattstielen des Fingertangs (Laminaria digitata) gefertigt. Ihre Porosität bedingt auf der einen Seite ihr geschätztes Quellungsvermögen, erschwert aber andererseits ihre Keimfreigestaltung. Und dieser Umstand ist es, welcher sie ersatzbedürftig erscheinen ließ. Dilatatoren anderer Art sind konische oder cylindrische gekrümmte Stäbe aus Metall, Glas oder Hartkautschuk, welche man, mit dünnen beginnend, zu dickeren übergehend, nacheinander in einer Sitzung in den Uterus einschiebt, ferner metallene Dilatatoren nach dem Prinzip des Handschuhausweiters konstruiert. (Siehe die Figg. 158, 159, 160.)
Diese Instrumente, ausgezeichnet in ihrer Art, leisten nicht dasselbe, wie die kräftig quellende Laminaria. Im allgemeinen kann man mit ihnen einen völlig unvorbereiteten Uterus nicht, wenigstens nicht in einer Sitzung bis zur Abtastungsmöglichkeit, also bis auf Fingerweite dilatieren. Es gelingt nur beim puerperalen, abortierenden und durch Tumoren bereits andilatierten Uterus. Dasselbe gilt von der zu demselben Zwecke in den Uterus einzustopfenden Jodoformgaze.
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